Vollzeitpflege - ein Pflegekind aufnehmen
Allgemeine Informationen
Immer wieder kommt es vor, dass Eltern aus den unterschiedlichsten Gründen ihre erzieherischen Aufgaben nicht wahrnehmen können und ihren Kindern nicht die Geborgenheit schenken, die diese für eine gesunde Entwicklung brauchen. Manchmal vorübergehend, manchmal dauerhaft. In einer Pflegefamilie zu leben ist für viele Kinder eine neue Chance. Die Unterbringung in einer Pflegefamilie bezeichnet man als Vollzeitpflege. Diese zählt zu den Hilfen zur Erziehung des Achten Sozialgesetzbuches (Kinder- und Jugendhilferecht), auf welche Personen-sorgeberechtigte gesetzlichen Anspruch haben, wenn sie selbst keine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung gewährleisten können (vgl. § 27 SGB VIII). Generell versucht das Jugendamt mit den sorgeberechtigten Eltern im gegenseitigen Einvernehmen eine notwendige und geeignete Hilfeform zu entwickeln. In manchen Fällen entscheidet auch ein Familiengericht über die Notwendigkeit einer Unterbringung in Vollzeitpflege.
Während das Kind bei der Pflegefamilie ein konfliktfreies und sicheres Familienleben erlebt, können die Eltern in Zusammenarbeit mit dem Kommunalen Sozialen Dienst parallel an der Verbesserung der familiären Situation arbeiten, um eine Rückkehr des Kindes / des Jugendlichen zu ermöglichen. Schaffen es die Eltern nicht, die Schwierigkeiten, welche zu der Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie geführt haben, zu beseitigen, so findet das Kind bei der Pflegefamilie ein langfristiges Zuhause.
Die Aufnahme eines Pflegekindes bedeutet sowohl für die Pflegefamilie als auch für das Pflegekind und dessen Herkunftssystem einschneidende Veränderungen und sollte deshalb wohl bedacht sein. In der Regel bleiben die leiblichen Eltern wichtige Bezugspersonen für das Kind und tragen ggfs. auch noch das Sorgerecht für das Kind.
Jede Konstellation ist anders und erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten: die Eltern, die Pflegeeltern, das Kind und das Jugendamt stehen für eine gelingende Hilfe in engem Austausch. Jeder Beteiligte hat Rechte und Pflichten. Wichtig ist, dass es allen Beteiligten gelingt, das Beste für das Kind/den Jugendlichen im Fokus zu haben - auch wenn das gleichzeitig womöglich Abschied, Trauer und Scham bedeutet.
Ein Pflegekind aufzunehmen ist eine schöne Aufgabe und zugleich eine Herausforderung. Kinder, welche nicht bei ihren Eltern aufwachsen können, haben in der Regel bereits schwierige Erfahrungen gemacht, welche sich möglicherweise durch auffälliges Verhalten zeigen. Durch Zuwendung, Förderung und bedingungsloses Annehmen können Pflegeeltern jedoch sehr viel bewirken.
Voraussetzungen
Um ein Pflegekind in Vollzeitpflege aufzunehmen, ist keine pädagogische Berufsausbildung vorgesehen, doch benötigen diese vor allem Einfühlungs- und Reflexionsvermögen, Geduld, Belastbarkeit, Offenheit, Toleranz und idealerweise auch Erfahrung in der Erziehung. Die Aufgabe erfordert zudem, dass die Pflegefamilie ihren privaten Raum für die Aufgabe öffnet. Sie können unabhängig von Ihrem Familienstand (ledig, verheiratet, Lebenspartnerschaft, mit oder ohne Kinder) ein Pflegekind aufnehmen. Eigene Kinder spielen eine wesentliche Rolle. Für das Gelingen des Pflegeverhältnisses müssen Sie die Auswirkungen der Aufnahme eines Pflegekindes auf die eigenen Kinder bedenken.
Verfahrensablauf
Informationsgespräch und Eignungsprüfung
Wenden Sie sich an Ihr zuständiges Jugendamt und vereinbaren einen Gesprächstermin. Das Jugendamt beantwortet Ihnen in einem ausführlichen Beratungsgespräch alle Fragen und gibt Ihnen Informationen zur Bewerbung um ein Pflegekind. Hat sich nach dem Gespräch Ihr Entschluss gefestigt, bewerben Sie sich mit den erforderlichen Unterlagen beim Jugendamt. Dieses prüft Ihre Bewerbung und vereinbart weitere Gesprächstermine. Darin wird geklärt, ob Sie alle Voraussetzungen erfüllen. Mindestens ein Gespräch wird bei Ihnen zu Hause stattfinden, um das zukünftige Lebensumfeld des Pflegekindes und alle weiteren Haushaltsangehörigen kennen zu lernen.
Gemeinsam mit dem Jugendamt vereinbaren Sie ein Aufnahmeprofil für Ihre Pflegeelterntätigkeit. Nicht jede Familie passt für jedes Pflegekind und umgekehrt ebenso. Im Anschluss an diesem Bewerberprozess werden Sie zum Vorbereitungsseminar eingeladen. Nach dessen Besuch werden Sie als potentielle Pflegefamilie geführt. Dieses Verfahren gilt auch, wenn es sich um ein bereits bekanntes oder verwandtes Kind handelt, für das Sie sich konkret bewerben.
Wartephase
Auch wenn das Jugendamt ständig Pflegefamilien sucht, kann die konkrete Vermittlung eines Pflegekindes in Ihre Familie einige Zeit dauern. Das Jugendamt spricht Sie erst dann an, wenn es davon ausgeht, dass Sie die geeignete Familie für das zu vermittelnde Pflegekind sind. Während dieser Wartephase wird das Jugendamt weiterhin Kontakt zu Ihnen halten.
Kennenlernen
Wenn Sie im konkreten Einzelfall als geeignete Pflegefamilie ausgewählt wurden, wendet sich das Jugendamt mit Informationen über die Lebensgeschichte des Pflegekindes an Sie. Danach finden Gespräche mit den Herkunftseltern und mit dem Kind statt. Auf diese Weise bekommen Sie Gelegenheit, sich gegenseitig kennenzulernen. Die konkrete Ausgestaltung der Vermittlung in Form von Gesprächen und Kontakten mit dem Pflegekind verläuft abhängig vom Alter des Kindes und dem sozialen Hintergrund.
Der Vermittlungsprozess ist abgeschlossen, wenn sich alle Beteiligten, vor allem das Pflegekind (abhängig vom Alter), sicher sind, dass sich das Kind in Ihre Familie integrieren wird. Während des Prozesses und den Gesprächen werden Sie aktiv durch das Jugendamt unterstützt und betreut.
Die Entscheidung darf nicht überstürzt getroffen werden. Nehmen Sie sich so viel Zeit wie nötig in Anspruch. Stellen Sie alle Fragen, die Ihnen wichtig sind. Nur so kann die Grundlage für ein erfolgreiches Pflegeverhältnis geschaffen werden.
Wie lange die Annäherung zwischen Pflegefamilie und Pflegekind dauert, hängt vom Alter des Kindes und den familiären Hintergründen ab. Bei jüngeren Kindern kann diese Zeit wenige Wochen, bei älteren Kindern mehrere Monate betragen.
Beginn der Hilfe
Die Aufnahme in die Pflegefamilie ist für Kinder meist mit Angst und Unsicherheit verknüpft. Die Pflegekinder müssen sich mit neuen Bezugspersonen und neuen Abläufen auseinandersetzen. Eine intensive Betreuung und die Einführung von verlässlichen Tagesstrukturen, Normen und Ritualen sind daher grundlegende Voraussetzungen, damit das Pflegekind sich in Ihrer Familie wohlfühlt. Bei der ersten Aufnahme eines Pflegekindes werden Sie individuell durch einen Pflegeelterncoach begleitet und unterstützt.
Mit der Aufnahme des Kindes in Ihre Familie wird ein Hilfeplan erstellt. Darüber hinaus werden zwischen Ihnen, dem Jugendamt und der Herkunftsfamilie gegenseitige Rechte und Pflichten vereinbart.
Fristen
Keine.
Erforderliche Unterlagen
Keine.
Kosten
Keine.
Hinweise
Keine.
Freigabevermerk
18.04.2024 Jugendamt