Pflegefamilien in der Ortenau
Von A wie Abfallwirtschaft bis Z wie Zulassungsstelle – das Landratsamt Ortenaukreis hat zahlreiche Aufgabenfelder. Mehr als 2.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kernverwaltung halten die Ortenau Tag für Tag „am Laufen“. Mit rund 850 Kolleginnen und Kollegen in fünf Fachämtern und einem Finanzvolumen von aktuell 390 Millionen Euro ist das Dezernat für Bildung, Jugend, Soziales und Arbeitsförderung ein großer, komplexer Arbeitsbereich mit einer enormen Verantwortung. Denn das Jugendamt, die Ämter für Soziales und Versorgung sowie für Soziale und Psychologische Dienste und die Kommunale Arbeitsförderung Ortenaukreis (KOA) tragen dafür Sorge, dass Kinder und Jugendliche sowie Familien, bedürftige und behinderte Menschen, Hilfe- und Arbeitsuchende die Unterstützung erhalten, die sie brauchen und die ihnen in der Bunderepublik zusteht.
Damit all diese Aufgaben bestmöglich und zum Wohle aller Beteiligten erfüllt werden können, werden das Landratsamt und die betroffenen Menschen in einigen Bereichen auch von zahlreichen Ortenauerinnen und Ortenauern unterstützt, die sich etwa als Pflegeeltern, Gastfamilie oder Unterstützer für psychisch kranke Menschen engagieren. In einer dreiteiligen Serie wirft das Landratsamt einen Blick auf ausgewählte Fachbereiche und zeigt auf, wo noch Unterstützungsbedarf besteht und sich Freiwillige für ihre Mitmenschen einbringen können.
1. Teil der Serie „Soziales“: Bereitschafts- und Vollzeitpflege
Das Jugendamt des Ortenaukreises ist aktuell für 340 Pflegekinder in insgesamt 292 Pflegefamilien und sieben Bereitschaftspflegefamilien zuständig. „Wenn Eltern ihre erzieherischen Aufgaben nicht oder nicht mehr wahrnehmen und ihren Kindern nicht die Geborgenheit schenken können, die diese für eine gesunde Entwicklung brauchen, kann die Unterbringung in einer Pflegefamilie vielen Kindern eine gute und wertvolle Chance bieten“, weiß Jugendamtsleiter Heiko Faller.
Die Vollzeitpflege zählt zu den Hilfen zur Erziehung des Achten Sozialgesetzbuches (Kinder- und Jugendhilfe, SGB VIII). Auf diese Hilfen haben Eltern einen gesetzlichen Anspruch, wenn sie selbst keine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung gewährleisten können. „Das Jugendamt versucht generell im Einvernehmen mit den sorgeberechtigten Eltern die notwendige und geeignete Hilfeform zu entwickeln“, so Faller. Ist ein Einvernehmen nicht zu erzielen, die Unterbringung in Vollzeitpflege aber die aus Sicht des Jugendamtes die richtige Hilfe, muss das Familiengericht über die Unterbringung des Kindes oder Jugendlichen entscheiden.
„Wenn Familien in eine Krisensituation oder eine akute Notsituation kommen oder zum Schutz eines Kindes eine sofortige Herausnahme aus der Familie erforderlich ist, erfolgt vielfach eine vorübergehende Unterbringung in einer Bereitschaftspflegefamilie“, erläutert der Amtsleiter. Während dieser Unterbringung, die von einigen Tagen bis zu mehreren Monaten andauern kann, wird mit den Eltern die weitere Perspektive des Kindes geklärt und an tragfähigen Zukunftslösungen gearbeitet. Durch die Unterbringung in der Bereitschaftspflege erhalten die Herkunftsfamilien kurzfristig Hilfe und Entlastung und, falls erforderlich, die Kinder den notwendigen Schutz. „Die Betreuung eines Kindes in Bereitschaftspflege erfordert ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen, Offenheit, Belastbarkeit und Flexibilität. Deshalb ist eine Voraussetzung für die Bereitschaftspflegetätigkeit, dass ein Elternteil eine pädagogische Ausbildung hat und nicht oder nur geringfügig berufstätig ist. Die Bereitschaftspflegefamilie trägt während der Betreuungszeit aktiv dazu bei, die für das Kind entwickelte Perspektive umzusetzen“, so Faller.
Sind Eltern selbst mit intensiver ambulanter Unterstützung nicht in der Lage, ihre Erziehungsaufgaben über einen längeren Zeitraum oder dauerhaft zum Wohle ihres Kindes zu erfüllen, kann ein Kind bei einer Vollzeitpflegefamilie ein zusätzliches Zuhause finden. Während das Kind bei der Pflegefamilie ein konfliktfreies und sicheres Familienleben erlebt, können die Eltern in Zusammenarbeit mit dem Kommunalen Sozialen Dienst des Jugendamtes an der Verbesserung der familiären Situation arbeiten, mit dem Ziel einer Rückkehr des Kindes in die Herkunftsfamilie. „Gelingt diese Verbesserung nicht und dauern die Schwierigkeiten, die zur Unterbringung des Kindes in der Pflegefamilie geführt haben an, findet das Kind bei der Pflegefamilie in der Regel ein langfristiges Zuhause“, sagt der Jugendamtsleiter.
„Aufgrund der Vielschichtigkeit der Fälle ist eine enge Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten unabdingbar. Eltern, Pflegeeltern, Kind und Jugendamt müssen für das Gelingen einer Hilfe in engem Austausch stehen. Wichtig ist, dass es allen Beteiligten gelingt, das Beste für die Kinder und Jugendlichen im Fokus zu haben – auch wenn das womöglich gleichzeitig Abschied, Kummer und Leid bedeutet.“
„Ein Pflegekind aufzunehmen ist eine verantwortungsvolle, aber auch eine sehr schöne und wertvolle Aufgabe“, so Faller. Gleichzeitig sei die Tätigkeit als Pflegefamilie eine große Herausforderung, da Kinder, die nicht bei ihren Eltern aufwachsen können, in der Regel bereits schwierige Erfahrungen gemacht haben. „Solche Erfahrungen können sich durchaus in auffälligem Verhalten der Kinder und Jugendlichen zeigen. Durch Zuwendung, Förderung und bedingungsloses annehmen können Pflegeeltern jedoch sehr viel für die Kinder und Jugendlichen bewirken.“
Um ein Pflegekind in Vollzeitpflege aufzunehmen, ist keine pädagogische Berufsausbildung vorgesehen. Pflegeeltern benötigen vor allem Einfühlungs- und Reflexionsvermögen, Geduld, Belastbarkeit, Offenheit, Toleranz und idealerweise auch Erfahrung in der Erziehung. Die Aufgabe erfordert zudem, dass die Pflegefamilie ihren privaten Raum für diese Aufgabe öffnet.
Auf die umfangreiche und vielfältige Aufgabe als Vollzeitpflege- oder Bereitschaftspflegeltern werden die Bewerber sehr gut und umfassend in einem längeren Prozess vorbereitet. Nach der Aufnahme eines Kindes werden die Pflegefamilien durch das Jugendamt fachlich begleitet und betreut. Für die Vollzeitpflegefamilien finden regelmäßig Pflegeelterngruppen statt, in denen die Themen der Pflegefamilien besprochen werden. Die Bereitschaftspflegefamilien erhalten zur Unterstützung eine regelmäßige Gruppensupervision. Darüber hinaus bietet das Jugendamt für alle Pflegefamilien jährliche Fortbildungsveranstaltungen an.
Das Jugendamt sucht laufend interessierte Familien, die bereit sind, Kindern und Jugendlichen für kurze Zeit oder auf Dauer ein neues Zuhause zu geben.
Vollzeit- oder auch Bereitschaftspflegeeltern können grundsätzlich verheiratete, unverheiratete oder gleichgeschlechtliche Paare, mit oder ohne Kinder werden, die in einer langfristigen Partnerschaft leben. Auch Alleinerziehende können unter bestimmten Voraussetzungen ein Pflegekind aufnehmen.
Die Pflegestellenkoordinatorinnen im Jugendamt des Landratsamts Ortenaukreis, Linda Schellenberg und Manuela Bruder freuen sich auf eine Kontaktaufnahme unter Telefon 0781 805 9760 oder 9761, Fax 0781 805 9777 oder per E-Mail unter pflegestellenkoordination@ortenaukreis.de.