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Datum: 29.08.2022

Ortenaukreis bei Unterbringung von Geflüchteten unter Druck

Schaffung von Unterkünften angesichts politischer und wirtschaftlicher Lage große Herausforderung

Die Zugänge von ukrainischen Geflüchteten im Land haben sich angesichts der bundesweiten Umverteilung in den letzten Wochen mehr als verdoppelt. Da die Kapazitäten in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen (LEAs) trotz massiver Ausbaubemühungen aktuell nicht mehr ausreichen, sind nun die Stadt- und Landkreise gefragt. Neuankömmlinge werden bereits nach wenigen Stunden und ohne Registrierung an diese verteilt.

„Gerade in den letzten Wochen verzeichnen wir auch im Ortenaukreis eine stetig zunehmende Zahl an Geflüchteten, insbesondere aus der Ukraine. Mittlerweile übersteigen die Ankünfte sogar die Zuströme in der Flüchtlingswelle 2015“, erklärt Alexandra Roth, Leiterin des Migrationsamts des Ortenaukreises. Am Wochenende hat sich die Situation nochmals zugespitzt, denn wir waren der erste Landkreis im Regierungsbezirk Freiburg, der aufgrund der voll belegten Landeserstaufnahmestellen zum Handeln aufgerufen war“, so Roth weiter. So musste der Ortenaukreis am vergangenen Wochenende 56 Ukrainerinnen und Ukrainer aufnehmen, rund 200 weitere Menschen folgen im Laufe der Woche. „Angesichts der Kurzfristigkeit mussten wir diese zunächst in Hotels unterbringen, Anfang der Woche können sie aber zum größten Teil in reguläre Unterkünfte umziehen“.

„Dass wir die Unterbringung angesichts der ohnehin seit Herbst wieder steigenden Zugänge bisher vergleichsweise gut stemmen konnten, lag vor allem daran, dass viele Ortenauerinnen und Ortenauer privaten Wohnraum zur Verfügung gestellt haben“, erläutert Michael Loritz, für Flüchtlingsfragen zuständiger Dezernent im Landratsamt. Dadurch sei die aktuelle Zuwanderungswelle in der Öffentlichkeit nicht so dramatisch wahrgenommen worden, obwohl landesweit bereits mehr Geflüchtete angekommen sind als dies 2015 der Fall war. „Allerdings sind private Wohnungsangebote mittlerweile ausgeschöpft und mancherorts wird die Aufnahme aufgrund der räumlichen Enge und damit verbundener Konflikte auch beendet“, so Loritz. Deshalb und weil seit Herbst 2021 die Asylbewerberzahlen wieder merklich ansteigen, arbeite der Kreis schon seit Monaten entsprechend seines Auf- und Abbaukonzepts (siehe Hintergrund) mit Hochdruck daran, neue Plätze zu schaffen und frühere Unterbringungen zu reaktivieren. „Vor dem Hintergrund der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen ist das eine riesige Herausforderung: Der Immobilienmarkt ist leergefegt und selbst heruntergekommene Objekte werden zu horrenden Preisen angeboten. Zudem ist die Nachfrage nach Containern immens und auch Handwerker sind nur schwer zu bekommen“, beschreibt Dezernent Loritz die aktuellen Rahmenbedingen. „Daher reichen die Kapazitäten derzeit trotz aller Anstrengungen nicht aus, sodass als Notfallbelegung auch die Unterbringung in Hallen notwendig sein wird“. Dies betreffe die Ortenauhalle in Lahr, in der rund 200 Personen untergebracht werden können, sowie die Sporthalle des Mattenhofs in Gengenbach für rund 60 Personen, die beide bereits in der Flüchtlingskrise 2015/2026 kurzzeitig Unterschlupf für geflüchtete Menschen boten. Die Hallen werden voraussichtlich in drei bis vier Wochen zur Verfügung stehen und sollen nur als Notunterkunft und so kurz wie möglich genutzt werden. Auch Schülerwohnheime, ehemalige Hotels oder Freizeitheime ziehe man in Betracht. Wer eine Unterkunft ab ca. 30 Personen bereitstellen kann, kann sich per E-Mail unter migrationsamt@ortenaukreis.de an das Migrationsamt werden. Das Migrationsamt kann nur auf Angebote in einem vertretbaren Kostenrahmen reagieren.

Um über weitere Strategien der Unterbringung zu beraten, plant das Landratsamt am kommenden Montag, 5. September, einen Austausch mit den Oberbürgermeistern, Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern im Kreis.

Hintergrundinformation: Auf- und Abbaukonzept
Mit verschiedenen Miet- und Kaufmodellen hat sich der Ortenaukreis von Anfang so aufgestellt, dass er einerseits über einen sicheren Basisbestand an Unterkünften verfügt, andererseits aber auch flexibel auf Rückgänge reagieren kann. So hatte der Kreis nach dem Rückgang der Asylbewerberzahlen seine Plätze, die im Mai 2016 mit 5.771 Plätzen deren Höchststand erreicht hatten, bis Anfang 2021 auf 843 Plätze reduziert. Diese hat er innerhalb des letzten halben Jahres auf aktuell rund 1.900 Plätze mehr als verdoppelt, bis Jahresende kommen voraussichtlich weitere 684 Plätze zuzüglich von 260 Notplätzen in den Hallen hinzu. Weitere Objekte befinden sich in Planung.

Hintergrundinformation: Kombimodelle von Kreis und Kommunen
Neu sind die im Ortenaukreis seit diesem Jahr eingerichteten Kombimodelle, wonach eine Unterkunft zunächst vom Kreis genutzt wird und anschließend auf die jeweilige Stadt oder Gemeinde übergeht. Der Vorteil: Die Menschen müssen trotz des formellen Wechsels zur Anschlussunterbringung nicht umziehen und die Integration vor Ort kann von Beginn an greifen. Das Kombimodell ist auch deshalb sinnvoll, weil ukrainische Geflüchtete kein Asylverfahren durchlaufen, sondern sofort einen Aufenthaltstitel erhalten. Im Gegensatz zu anderen Asylbewerber leben sie nur kurz in der vorläufigen Unterbringung, sodass die danach zuständigen Städte und Gemeinden kaum zeitlichen Puffer haben