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Datum: 16.12.2020

Kreishaushalt für 2021/22 beschlossen

Landrat Scherer: „Werden historische Herausforderungen meistern“

Mit überwältigender Mehrheit haben die Kreisrätinnen und Kreisräte in der gestrigen Sitzung des Kreistags, die coronabedingt in der Brumatthalle in Ohlsbach stattfand, den kommenden Doppelhaushalt des Ortenaukreises mit einem Volumen von 1,3 Milliarden Euro verabschiedet.

„Gleich zwei historische Herausforderungen gilt es in den nächsten Jahren für den Landkreis zu meistern“, machte Landrat Frank Scherer bereits bei der Einbringung im November klar, „und dafür stellt dieser Doppelhaushalt die richtige Ausgangsbasis dar“. Scherer meinte damit einerseits die Klinikreform Agenda 2030 als größte Investition in der Geschichte des Ortenaukreises und andererseits den Ausgleich der größten finanziellen Einbußen der Kreisgeschichte durch die Corona-Pandemie.

„Mit der Entscheidung des Kreistags können wir weiter Kurs halten, also nachhaltig investieren, unsere Städte und Gemeinden leistungsfähig halten und unterstützen sowie als Kreisverwaltung effizient agieren“, so Scherer. Das sei so nur möglich, weil Kreispolitik und Verwaltung in der Vergangenheit immer sehr wirtschaftlich, nachhaltig und strategisch agierten, das Landratsamt bei den Verwaltungskosten in allen landesweiten Benchmarks Spitze sei und in den vergangen zwölf Jahren eine konsequente Entschuldung des Kreises um über 40 Millionen Euro vorangetrieben habe. „Deshalb können wir im nächsten Doppelhaushalt die diesjährige Corona-Delle von 38 Millionen Euro ohne Kredite ausgleichen und die Agenda 2030 finanzieren“, sagt Scherer.

Sozialausgaben größter Posten

Den größten Anteil im neuen Doppelhaushalt machen mit mehr als zwei Dritteln und rund 850 Millionen Euro wie bisher die Sozialausgaben aus – Tendenz steigend. „Damit werden unsere kreispolitischen Spielräume immer kleiner, ohne dass wir daran etwas ändern können. Denn die Ursachen hierfür liegen in der Demografie, den gesellschaftlichen Veränderungen und den regulatorischen Vorgaben“, erklärt Scherer und nennt in diesem Zusammenhang das Bundesteilhabegesetz und die Pflegestärkungsgesetze, die zu beachtlichen, dauerhaften Kostensteigerungen für den Kreis führen. „Die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung ist innerhalb von elf Jahren bis 2022 um über 90 Prozent angestiegen sein – so wird der Zuschuss des Kreises im Jahr 2021 bei rund 88 Millionen Euro und in 2022 bei rund 92 Millionen Euro liegen“, so Scherer. Auch im Bereich der Jugendhilfe gab es im gleichen Zeitraum einen Zuwachs von rund 90 Prozent. „Nächstes Jahr liegt hier der Zuschussbedarf seitens des Kreises bei rund 64 Millionen Euro, 2022 werden es rund 66 Millionen Euro sein“, informiert der Landrat.

Standort Ortenau stärken

Die Ortenau sei eine wirtschaftlich starke Region mit hoher Lebensqualität. „Unser kreispolitischer Anspruch muss es sein, diesen attraktiven Standort weiter voran zu bringen und dafür müssen wir weiter investieren: in unsere Schulen, in den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, in die Breitbandversorgung und die Verkehrsinfrastrukturen und nicht zuletzt in eine optimale Gesundheitsversorgung für unsere Bevölkerung“, macht Scherer klar.

Die größte Investition des Ortenaukreises in seiner Geschichte ist die mit nahezu 2/3 Mehrheit beschlossenen Agenda 2030 mit insgesamt 929 Millionen Euro – damit werde für die Ortenauer Bevölkerung eine erstklassige Krankenhausversorgung gewährleistet. Der Kreistag hat in der November-Sitzung dem Finanzierungsmodell mit überwältigender Mehrheit zugestimmt. „Hierfür müssen bis zu 597 Millionen Euro Kreismittel aufgewendet werden. Darüber hinaus sind Investitionen von 100 Millionen Euro in sogenannte Zentren für Gesundheit an den zu schließenden Standorten vorgesehen. Das zeigt, wie wertvoll dem Kreis die Gesundheitsversorgung der Ortenauerinnen und Ortenauer ist. Der kaufmännisch äußerst vorsichtige Refinanzierungsvorschlag der Finanzkommission wird im Doppelhaushalt jetzt eins zu eins umgesetzt“, so Scherer. Die Refinanzierung des Kreisanteils an der Agenda 2030 kann über die Kreisumlage erfolgen, soweit dies nach der jeweiligen Haushaltslage erforderlich ist.

Sanierungsbedarf gibt es noch immer bei den Schulgebäuden des Ortenaukreises. Deshalb werde das 2013 begonnene Sanierungsprogramm mit einem Volumen von rund 12 Millionen Euro fortgeführt. Außerdem sind für die Restfinanzierung des dritten Bauabschnitts der Gewerblichen Schulen in Offenburg 13,2 Millionen Euro vorgesehen (Fertigstellung im 1. Halbjahr 2022) und für die Restfinanzierung des Neubaus der Gewerblichen Schulen in Lahr 4,3 Millionen Euro (Fertigstellung im 3. Quartal 2022). „Investitionen in Bildung müssen im Interesse unserer Schülerinnen und Schüler und unserer Unternehmen weiterhin eine hohe Priorität haben. Hier wirkt der Kreis als wichtiger Standortmotor“, so der Landrat.

Nachhaltige Investitionen in ÖPNV & Klimaschutz

Die größte Steigerung im Doppelhaushalt erfährt der öffentliche Nahverkehr. Mit der von Landrat Scherer initiierten großen Tarifreform wird der ÖPNV preislich deutlich attraktiver – die Aufwendungen des Kreises steigen hier um 46 Prozent auf rund 56 Millionen Euro. „Mobilität ist ein Grundbedürfnis der Bevölkerung und gerade in unserem ländlichen Raum von besonderer Bedeutung. Wer also die Verkehrswende hin zu weniger motorisiertem Individualverkehr und mehr öffentlichem Nahverkehr und Radverkehr wirklich will, der darf im ländlichen Raum nicht kleckern, sondern muss gerade hier klotzen“, so Scherer. Daneben werde auch das Radwegeprogramm des Kreises mit mindestens sechs Kilometern neuer Radwege pro Jahr fortgeführt sowie die Sanierung von Kreisstraßen und Brücken vorangetrieben mit Investitionen in Höhe von rund 30 Millionen Euro. Hervorzuheben seien dabei Projekte wie der Neubau der Kreisstraße zwischen Ringsheim und Lahr, die Umfahrung Zusenhofen/Nußbach und die Kreisstraße zwischen Fischerbach und Haslach.

Ein weiteres Top-Thema für den Ortenaukreis sei der Klimaschutz, so Scherer, der grundsätzlich alle Bereiche des Landratsamts umfasse, von der Gebäudesanierung über Ökostrom, blühende Straßenränder, den Amphibienschutz, den Energy Award, LEV- und Leader-Zuschüsse, die Genehmigung von Wind- und Wasserkraftanlagen, die Beratung für ökologische Landwirtschaft bis hin zur Subventionierung des ÖPNV und den Bau von Radwegen. „Betrachtet man unsere Aktivitäten in diesen Bereichen unter Klimaschutzgesichtspunkten, so addieren sich im Doppelhaushalt rund 70 Millionen Euro für Maßnahmen, die dem Klimaschutz dienen“, so Scherer.

Leistungsfähige Kreisverwaltung

„Eine leistungsfähige Kreisverwaltung ist nicht nur in Krisenzeiten ein ganz wesentlicher Standortfaktor und für unsere Bevölkerung, die Unternehmen und unsere Städte und Gemeinden von elementarer Bedeutung“, betont der Landrat.

Der nun verabschiedete Stellenplan erhöht sich um 62,3 Stellen. Einerseits können durch geringere Zuwanderungszahlen und der Forstreform 45,5 Stellen abgebaut werden, andererseits werden zur insbesondere Bewältigung der Corona-Pandemie 107,8 Stellen zusätzlich erforderlich, davon 54 neue Stellen alleine für das Gesundheitsamt. „Natürlich versuchen wir, diese Stellen weitestgehend befristet zu besetzen, um flexibel zu sein, wenn der Bedarf hoffentlich bald wieder zurückgeht. Klar ist aber auch, dass wir hier keine Wahl haben“, so Scherer. Von den 107,8 Stellen sind die Mehrzahl bereits vom Kreistag genehmigt, coronabedingt erforderlich und/oder gegenfinanziert.

Die Personalkosten des Ortenaukreises liegen 2021 bei rund 113 Millionen Euro und machen rund 20 Prozent des Haushaltsvolumens aus. Damit liegen sie unter dem Landesdurchschnitt.

„Der heute beschlossene Haushalt des Ortenaukreis ist davon gekennzeichnet, dass wir unsere bisherige nachhaltige und von Kontinuität charakterisierte Finanzpolitik fortsetzen und die großen Herausforderungen meistern können“, bekräftigt Scherer.

Stellungnahme der Fraktionen

„Im Doppelhaushalt 2021/2022 sind keine neuen Darlehensaufnahmen erforderlich. Ein positives Momentum“, so Wolfgang Brucker, Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion. „Das ist das Ergebnis einer stringenten Entschuldungspolitik des Kreises in den vergangenen Jahren. Gleichzeitig ermöglicht uns diese Politik, zumindest ist das so für den Planungszeitraum bis 2024 vorgesehen, künftig neue Darlehensaufnahmen um die Maßnahmen im Planungszeitraum zu finanzieren. Ob diese Kreditaufnahmen dann auch notwendig werden oder in welchem Umfang sie anfallen, werden wir bei der Vorbereitung zum dann anstehenden Doppelhaushalt sehen. Wichtig dabei ist, dass wir schon früh darangehen, uns Gedanken für diese Zeit zu machen. Verwaltung und Kreistag sollten eine Vorstellung entwickeln, wie wir gemeinsam strukturelle Verbesserungen vornehmen könnten“, bekräftigte Brucker.

Valentin Doll, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Kreistag, sagte: „Auch die Freien Wähler sind der Ansicht, dass es jetzt in dieser Wirtschaftskrise richtig ist, die durch das Corona-Virus bedingt ist, zu investieren. Die Hoffnung ist, dass nicht zuletzt auch durch die hohen Investitionen des Kreises die Konjunktur angehoben wird und dann die Kommunen wieder über eine sehr gute Steuerkraft in den Jahren 2023 und 2024 verfügen. Ob wir dann die große Investitionstätigkeit beibehalten oder kürzen, die Kreisumlage anheben oder zur Finanzierung mancher Vorhaben neue Schulden machen, entscheiden wir, wenn alle Zahlen auf dem Tisch liegen.“

Alfred Baum, Fraktionschef der Grünen im Kreistag, erklärte: „Ein bitterer Beigeschmack sind für uns die heute bereits prophezeiten 28 Millionen Euro auflaufender Verluste in den Ortenau Kliniken bis 2030, die diese dann selbst durch zu erwartende gewinne an den neuen und modernen Standorten wieder ausgleichen sollen. Es muss weitere Spielräume geben, als die Idee des Hinausschiebens auf den St. Nimmerleinstag. Es wird sicherlich auch nach der Corona-Pandemie noch schmerzliche Einschnitte geben, um die vielfältigen Herausforderungen zu bewältigen und es ist unsere Pflicht und Aufgabe, dies der Bevölkerung heute schon klar und deutlich zu sagen.“

Kai-Achim Klare, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion, unterstrich: „Die Corona-Pandemie zeigt: Wir brauchen eine leistungsfähige öffentliche Hand, insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge. Unsere Kliniken sind dabei ein zentraler Baustein. Die SPD-Fraktion hat sich in den vergangenen Monaten mit Nachdruck für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Finanzierung der Agenda 2030 eingesetzt. 100 Millionen Euro sind hierbei für eine starke Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum eingeplant. Darüber hinaus investieren wir im Doppelhaushalt 2021/22 umfangreich in die soziale Sicherheit, in Infrastruktur und den ÖPNV und damit in die Lebensqualität in der Ortenau. In den nächsten Jahren gilt es die Verschuldung im Blick zu behalten, um die nachfolgenden Generationen nicht über Gebühr zu belasten."

Sven Rothmann, Vorsitzender der AfD-Kreistagsfraktion, machte klar: „In wirtschaftlich schwierigen Zeiten hat der Kreistag zusammen mit der Verwaltung ein gutes Paket geschnürt, dass alle Bereiche abdeckt und nichts zurücklässt. Es wäre fatal, angelaufene Investitionen, zum Beispiel in Schulen, jetzt zu kappen. Die harten Jahre kommen erst noch. Es wird in den kommenden Jahren schwierig sein, dies aufrecht zu erhalten.“

FDP-Fraktionschef Carsten Erhardt betonte: „Die FDP sieht in dem Doppelhaushalt, trotz der vielen Unsicherheiten, viel Zuversicht für die Zukunft. Insbesondere die Investitionen in den ÖPNV und den Klimaschutz sind vorbildlich. Jedoch müssen wir schon heute an morgen denken. Gerade im Hinblick auf die drohende Verschuldung müssen klare rote Linien definiert werden. Darüber hinaus ist eine hohe Haushaltsdisziplin insbesondere bei neuen Projekten angesagt.“