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Zukunftsplanung Ortenau Klinikum: Kreistag entscheidet sich für vier stationäre Standorte ab dem Jahr 2030

Das Ortenau Klinikum wird ab 2030 beziehungsweise mit Fertigstellung der dazu erforderlichen Neu- oder Umbaumaßnahmen seine stationären Leistungen an den vier Krankenhausstandorten in Offenburg, Lahr, Wolfach und Achern erbringen - das hat der Kreistag des Ortenaukreises in seiner heutigen Sitzung bei 53 Ja- und 25 Nein-Stimmen deutlich entschieden. Die Standorte Offenburg und Lahr werden als Häuser der Maximalversorgung weiterentwickelt. In Offenburg und Achern sollen jeweils Klinikneubauten entstehen. Das verabschiedete Konzept zur Neuordnung der Klinikstruktur im Ortenaukreis („Agenda 2030“) sieht zudem vor, dass die derzeitigen weiteren stationären Standorte in Oberkirch, Kehl und Ettenheim zu diesem Zeitpunkt als stationäre Standorte aufgegeben und als Gesundheitszentren mit Portalfunktion sowie Notarzt/Notfallstandorte weitergeführt werden. Damit soll eine optimale Verzahnung von stationären Klinikangeboten, Notfallversorgung und ambulanter Versorgung im Ortenaukreis erreicht werden.

Der Kreistag hat sich heute mehrheitlich davon leiten lassen, dass die vorgegebenen bundes- und landespolitischen Rahmenbedingungen, sowie der rasante medizinische Fortschritt und der wachsende Fachkräftemangel eine Neuordnung der Ortenauer Klinikstruktur ab dem Jahr 2030 erfordern, meinte Landrat Frank Scherer nach der Sitzung. Dem heutigen Kreistagsbeschluss ging eine rund 18 Monate lange Vorberatung voraus mit einer Vielzahl an öffentlichen Informations-Veranstaltungen, u.a. 10 öffentliche Sitzungen der Kreisgremien mit Bürgerfragestunden, einer öffentlichen Präsentation eines Fach-Gutachtens, diverse Podiumsdiskussionen und sieben großen Bürger-Info-Tage im Juni, u.a. mit Landessozialminister Manne Lucha.

„Dieser aufwendig, sachliche fundierte, transparente und öffentliche Prozess der Meinungsbildung war eine solide Basis dafür, dass die Agenda 2030 für unser Ortenau Klinikum heute entschieden werden konnte“, verdeutlichte Scherer. „Es war bis dahin ein langer, steiler und teilweise steiniger Weg, denn nur wenige Themen im politischen Bereich sind so hochemotional wie die Gesundheitsversorgung. Ich bin froh, dass am Ende die fundierten Sachargumente und die fachlichen Gründe überzeugt haben. Hätten wir jetzt nicht gehandelt, hätten in den nächsten Jahren unkontrollierte Schließungen oder Privatisierungen gedroht“, so Scherer weiter. „Ich habe deshalb großen Respekt vor dem Beschluss der Kreisrätinnen und Kreisräte, die heute eine Entscheidung treffen mussten, die erst im Jahr 2030 Wirklichkeit wird. Wir mussten aber heute Handlungsfähigkeit beweisen, weil wir jetzt die Zukunft schon planen und entwickeln müssen, damit wir im Jahr 2030 bereit sind“, so der Landrat. „Mit der heutigen Entscheidung haben die Kreisrätinnen und Kreisräte das Modell gewählt, das die bestmögliche Versorgung in der Fläche mit der besten medizinischen Qualität kombiniert. Damit ist für die gesamte Ortenauer Bevölkerung eine qualitativ hochwertige stationäre Versorgung auch über das Jahr 2030 gesichert – das war in der ganzen Diskussion für mich immer das entscheidende Kriterium“, bekräftigte Scherer.

„Dass der Kreistag der Beschlussempfehlung des Krankenhausauschusses folgt, ist ein wichtiges und positives Signal für die Neuordnung des Ortenau Klinikums“, betonte Christian Keller, Geschäftsführer des Ortenau Klinikums. „Ich möchte mich bei den Mitgliedern des Kreistages und des Krankenhausausschusses für die intensiven und engagierten Beratungen bedanken. Ziel muss es sein, auch in Zukunft eine qualitativ hochwertige, stationäre Versorgung der gesamten Ortenauer Bevölkerung sicherzustellen“, so Keller. 

Statements der Fraktionen

„Freie Hausarztsitze bei niedergelassenen Ärzten, Mangel an Fachkräften in den Kliniken und der medizinische Fortschritt machen es unumgänglich, die Klinikstruktur des Ortenaukreises weiterzuentwickeln. Das Vier-Standorte-Modell bringt für die Menschen die bestmögliche medizinische Versorgung, rettungsdienstliche und ambulante Angebote an den weiteren bisherigen Klinikstandorten müssen ausgebaut werden. Anstatt die Probleme weiter anwachsen zu lassen, befürwortet die CDU-Kreistagsfraktion das Konzept zur Agenda 2030 und die damit verbundenen Investitionen von über 600 Millionen Euro, damit für die Menschen im Ortenaukreis auch mittelfristig die bestmögliche medizinische Versorgung bereitsteht“, verdeutlichte Klaus Muttach, Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion.

 „Die Zahlen und Fakten sprechen klar für ein 4-Standorte Modell – seien es die begründeten, erheblichen Verbesserungen der Betriebsergebnisse und die beste Erfüllung der Kernkriterien Notfallversorgung, Behandlungsqualität, Personal und Wirtschaftlichkeit. Vorteile und Chancen des 4-Standorte Modells sind nicht wegzudiskutieren, diese, wenn auch tiefgreifenden Veränderungen, bringen für die Patienten die bestmögliche medizinische Versorgung im Notfall und bei geplanten Eingriffen, dem Personal attraktive Arbeitsbedingungen, auch durch weniger Belastung, und mehr Wirtschaftlichkeit durch das Abrechnen hochkomplexer Leistungen, Optimierung von Strukturen und effizienterer Personaleinsatz. Die Fraktion der Freien Wähler wird sich den gewaltigen Herausforderungen für eine Zukunftssicherung für unser Ortenau Klinikum stellen. Wir fordern eine zügige Umsetzung der Agenda, des Modells „Landrat“ und werden uns aktiv in die Bearbeitung der Überprüfungsklausel einbringen, um nachhaltig wirksame Strukturen für unseren ländlichen Raum auf den Weg zu bringen“, bekräftige Jürgen Nowak, Kreisvorsitzender der Freien Wähler.

 Der Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion, Günter Gorecky, machte klar: „Wir wissen, dass die geplanten Strukturveränderungen teilweise sehr einschneidend sind. Die Mehrheit unserer Fraktion ist jedoch davon überzeugt, dass die medizinische Versorgung unserer Bevölkerung nur so auch in Zukunft auf hohem Niveau gesichert werden kann.“

 „Die Grünen werden sich bei der Umsetzung der heute gefassten Beschlüsse vehement für eine verbesserte ambulante Versorgung in den ländlichen Gebieten einsetzen. Hier muss, was die Dichte von rund um die Uhr geöffneten Notfallpraxen oder die Öffnungs- und Wartezeiten allgemein betrifft, schnellstmöglich eine spürbare Verbesserung für die Patienten erreicht werden, nicht zuletzt um auch die Notfallambulanzen an den verbleibenden Klinikstandorten zu entlasten. Die gute Erreichbarkeit von  neuen, bedarfsgerecht ausgestatteten medizinischen Gesundheitszentren und der stationären Kliniken mit dem ÖPNV ist uns ebenso ein großes Anliegen wie die Erhöhung der Anzahl der Pflegekräfte. Wir sind uns durchaus bewusst, dass all dies nicht zum Nulltarif zu haben sein wird ,vertrauen jedoch auf ähnliche Aussagen der anderen Fraktionen im Kreistag, der Verwaltung des Landratsamts und der des Ortenau Klinikums, dass wir in diesen Bereichen zukünftig die gleiche Wegrichtung einschlagen“, sagte Alfred Baum, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kreistag.

 „Der Landrat und die Geschäftsführung des Ortenau Klinikums haben mit der Agenda 2030 die längst fälligen Reformen in der Krankenhausversorgung unseres Kreises angestoßen. Dadurch wird sichergestellt, dass unsere Kreiskrankenhäuser auch in Zukunft mit hoher medizinischer Qualität und unter wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geführt werden können. Ein einfaches "Weiter so" hätte ansonsten die öffentliche Trägerschaft in Frage gestellt“, betonte Jochen Strosack, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP.

Um die bestehenden Strukturen bis zur Neuordnung bedarfsgerecht weiter zu entwickeln, hat der Kreistag ein umfangreiches Paket mit kurz- und mittelfristigen Maßnahmen beschlossen, mit denen das im vergangenen Jahr verabschiedete „Modell Landrat“ fortgeschrieben wird. So werden u.a. die Geburtshilfen in Achern und Oberkirch spätestens zum 1. Januar 2020 am Standort Achern als gemeinsame Hauptabteilung („Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe“) zusammengelegt, in den chirurgischen Kliniken Achern und Oberkirch soll eine weitergehende Spezialisierung und eine gegenseitige Abstimmung der Leistungsangebote erfolgen. Um die flächendeckende chirurgische Versorgung zu stärken, soll am Standort Oberkirch eine chirurgische Praxis angesiedelt werden während der Standort Gengenbach als Notarzt-/Notfallstandort entwickelt werden soll und bis zum Klinikneubau an einem neuen Offenburger Standort sollen an den Standorten Ebertplatz, Josefsklinik und Kehl sollen die dort erforderlichen baulichen Sanierungsmaßnahmen erfolgen.

 

Grundstruktur für Kliniklandschaft ab 2030

Als Grundstruktur der Kliniklandschaft im Ortenaukreis ab 2030 hat der Kreistag beschlossen: Das Ortenau Klinikum soll ab dem Jahr 2030, respektive mit Fertigstellung der dazu erforderlichen Neu- oder Umbaumaßnahmen – seine stationären Leistungen an den vier Krankenhausstandorten in Offenburg, Lahr, Wolfach und Achern erbringen. Die Standorte Offenburg und Lahr werden als Häuser der Maximalversorgung weiterentwickelt. Zu diesem Zeitpunkt sollen die Standorte in Oberkirch, Kehl und Ettenheim als stationäre Standorte aufgegeben und als Gesundheitszentren mit Portalfunktion sowie Notarzt/Notfallstandorte weitergeführt werden. Die dortigen Leistungsangebote und Gesundheitsdienstleistungen sollen im Wege eines partnerschaftlichen Dialogs zwischen allen Beteiligten unter anderem im Rahmen sektorenübergreifender Strukturgespräche und in der Kommunalen Gesundheitskonferenz (KGK) in enger Abstimmung mit dem Krankenhausausschuss erarbeitet werden. Dabei soll die erforderliche Verzahnung zwischen stationären Klinikangeboten, Notfallversorgung und ambulanter Versorgung besondere Beachtung finden. Bis zur Umwandlung dieser Standorte zu Gesundheitszentren sollen die Häuser auf Grundlage des Modells Landrat bedarfsgerecht fortgeführt werden.

Die Kreistagsentscheidung beinhaltet auch den Vorschlag von Landrat Frank Scherer, die jetzt getroffenen Beschlüsse längstens bis zum Jahr 2025 dahingehend zu überprüfen, ob und inwieweit eine Schließung der stationären Standorte in Oberkirch, Kehl und Ettenheim tatsächlich umgesetzt werden soll oder bisherige stationäre Funktionen dieser Häuser doch fortgeführt werden können. „Die Häuser sollen ja nicht schon morgen geschlossen werden, sondern noch zwölf Jahre bestehen und es wird noch geraume Zeit dauern, bis wir unumkehrbare Entscheidungen zu treffen haben. Deshalb werden wir in dieser Zeit in diese Häuser auch noch investieren und demonstrieren damit, dass wir es mit der reellen Chance einer Überprüfung ehrlich meinen. Das Gesundheitssystem verändert sich in so rasanter Geschwindigkeit. Deshalb müssen wir so lange wie möglich flexibel bleiben, um auf politische, medizinische und ökonomische Entwicklungen reagieren zu können. Mit der Überprüfungsklausel tragen wir etwaigen Veränderungen von Sach- und Erkenntnislagen Rechnung“, betonte Scherer .

Die Beschlüsse stehen insoweit unter dem Vorbehalt der Überprüfung durch den Kreistag, als keine angemessene Förderung durch das Land Baden-Württemberg erreicht werden kann.

Erste Umsetzungsentscheidungen

Nach der Entscheidung über die Grundstruktur der „Agenda 2030“ fasste der Kreistag drei weitere Beschlüsse, die bereits der Umsetzung der Agenda 2030 dienen. Mit großer Mehrheit beschlossen wurde ein Klinikneubau auf dem Gemeindegebiet der Stadt Offenburg, in dem bis zum Jahr 2030 die derzeitigen Standorte Ebertplatz, St. Josefsklinik und Gengenbach sowie teilweise die Standorte Kehl und Oberkirch zusammengeführt werden sollen. Für die weitere, gleichwertige Prüfung der grundsätzlichen Machbarkeit der Standorte „Nördlich Windschläg“ und „Nordwestlich Holderstock“ sprach sich der Kreistag mit großer Mehrheit aus. Die Stadt Offenburg wird dabei gebeten, vor einer endgültigen Entscheidung darüber, welchen Standort sie dem Ortenaukreis anbieten will, zunächst sein Votum als Krankenhausträger einzuholen.

Außerdem beschlossen die Kreisrätinnen und Kreisräte die Ausarbeitung eines baulichen Masterplans für das Ortenau Klinikum in Lahr, der sowohl die kurz- und mittelfristigen als auch die langfristigen Bedarfe berücksichtigt, um die Versorgung des südlichen Landkreises am Standort Lahr in den nächsten Jahren sicher zu stellen und die mit der Agenda 2030 angestrebten Ziele zu realisieren.

Die Vorbereitung der Integration des Klinikstandortes Ettenheim erfolgt für den Fall, dass die Überprüfung im Rahmen der Überprüfungsklausel nicht zum Erhalt des Klinikstandortes Ettenheim führt.

Als weitere Umsetzungsentscheidung verabschiedete der Kreistag die Zusammenführung der derzeitigen Standorte Achern und teilweise Kehl und Oberkirch in einem gemeinsamen Klinikneubau am Standort „Brachfeld“ in Achern.

 

Fortschreibung Modell Landrat bis 2030

Mit großer Mehrheit beschloss der Kreistag ein umfangreiches Paket an kurz- und mittelfristigen Strukturoptimierungen. Mit diesen Maßnahmen wird das im vergangenen Jahr beschlossene Modell Landrat fortgeschrieben. Die empfohlenen Strukturoptimierungen betreffen hauptsächlich die Standorte Achern und Oberkirch. So sollen die Geburtshilfen in Achern und Oberkirch spätestens zum 1. Januar 2020 am Standort Achern als gemeinsame Hauptabteilung unter dem Namen „Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe“ zusammengelegt werden. Um die frauenklinische Versorgung im Norden des Landkreises zu stabilisieren, soll bereits zum 1. September 2018 die medizinische Führung der drei frauenklinischen Fachabteilungen in Achern, Oberkirch und Kehl unter eine gemeinsame Leitung am Standort Achern gestellt werden. Zur weiteren Verbesserung der chirurgischen Versorgung, wird in den chirurgischen Kliniken Achern und Oberkirch eine weitergehende Spezialisierung und Abstimmung der Leistungsangebote zwischen Achern und Oberkirch erfolgen. Hierzu werden am Standort Oberkirch wochentags elektive ambulante und kurzzeitchirurgische Eingriffe aus beiden Standorten durchgeführt. Am Standort Achern werden alle anderen chirurgischen Eingriffe ausgeführt. Die chirurgische Notfallversorgung in Oberkirch wird wochentags von 16 Uhr auf 20 Uhr ausgeweitet. Die chirurgische Notfallversorgung in Achern erfolgt weiterhin im 24-Stunden-Betrieb. Außerdem soll zur Stärkung der flächendeckenden chirurgischen Versorgung am Standort Oberkirch nach Möglichkeit eine chirurgische Praxis angesiedelt werden.

Darüber hinaus wurde jeweils ein hausübergreifendes Chefarztmodell für die Innere Medizin am Ortenau Klinikum Achern-Oberkirch und für die Medizinische Klinik am Ortenau Klinikum Lahr-Ettenheim verabschiedet. Grund dafür ist das altersbedingte Ausscheiden der jeweiligen Chefärzte in Oberkirch und Ettenheim.

Um den Fortbestand der Chirurgie am Standort Ettenheim auf Basis des „Modells Landrat“ bis auf Weiteres bedarfsgerecht zu sichern, wurde bereits in der Sitzung des Krankenhausausschusses am 15. Mai 2018 einstimmig beschlossen, die Anbindung eines neuen OP-Saals am Standort Ettenheim zu realisieren.

Für den Standort Gengenbach sprachen sich die Kreistagsmitglieder für eine Entwicklung zum Notarzt-/Notfallstandort aus. In einem ersten Schritt soll die Einrichtung einer Rettungswache mit Rettungswagen erfolgen. Zudem soll dort bei zukünftiger Verfügbarkeit von adäquaten fachärztlichen Sitzen der Kassenärztliche Vereinigung die Ansiedlung eines Medizinisches Versorgungszentrums (MVZ) realisiert werden.

Schließlich sollen an den Standorten in Offenburg, in Kehl sowie in Achern und Oberkirch bis zu Inbetriebnahme der Klinikneubauten die erforderlichen baulichen Sanierungsmaßnahmen erfolgen. Die Verwaltung wurde mit der Überprüfung entsprechender Planungen beauftragt.