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Datum: 29.10.2019

Perspektivwechsel: Landrat Frank Scherer macht Praktikum im Ortenau Klinikum Lahr

Scherer: „Die Leistung der Pflegefachkräfte verdient größten Respekt!“

In Schnupperpraktika will Landrat Frank Scherer die vielen Berufsbilder des Landratsamts Ortenaukreis hautnah kennen lernen. So war der Landrat bereits mit Straßenwärtern im Schneepflug unterwegs und half mit, die Schwarzwaldhochstraße von den Schneemassen zu befreien, assistierte den Leitstellendisponenten von der Integrierten Leitstelle Ortenau und unterstützte den IT-Service des Landratsamts während der Hotline-Schicht.

An einem Montagmorgen im Oktober trägt Scherer nun die Dienstkleidung einer Pflegefachkraft: weißer Kasack und weiße Hose. Der Landrat ist im Ortenau Klinikum in Lahr und macht sich ein Bild von der Arbeit der Pflegefachkräfte auf einer neurologischen Station. Hier werden Patienten mit Erkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks, der Nerven und der Muskeln behandelt. An Scherers Seite: Stationsleitung Brigitte Schmieder, die die räumliche Situation der 32 Betten-Station lobt: „Wir sind sehr zufrieden mit unserem Neubau. Wir haben mehr Platz und breitere Gänge, alles ist großzügiger und viel funktioneller. Wir haben jetzt auch genug Arbeitsfläche, unter anderem zum Richten von Medikamenten und zur Dokumentation. Auch stehen nun Räumlichkeiten für Besprechungen mit Patienten und Angehörigen zur Verfügung.“ Daneben habe sich die technische Ausstattung wesentlich verbessert. Elektrische Betten ermöglichen rückenschonendes Arbeiten am Patienten und erleichtern durch die einstellbare Lenkung den Patiententransport.

Auf die Frage des Landrats nach der Stellensituation im Pflegebereich im Ortenau Klinikum in Lahr antwortet die zuständige Bereichsleitung Britta Dürdoth: „Die Situation war sehr angespannt, bis vor kurzem hat noch eine deutliche Anzahl von Pflegefachkräfte gefehlt. Jetzt haben unsere Auszubildenden fast alle ihre Ausbildung erfolgreich beendet und können voll eingesetzt werden. Außerdem haben wir gute Erfahrungen mit Pflegekräften aus dem Ausland gemacht.“ Pfleger Fritz Campos kam vor dreieinhalb Jahren von den Philippinen, zunächst als Anerkennungspraktikant und wurde dann als Pflegefachkraft eingestellt. „Ein Glücksgriff“, so Stationsleiterin Schmieder. „Er hat sich hervorragend integriert und ist bei Kolleginnen und Kollegen und bei den Patienten sehr beliebt. Außerdem ist er sehr engagiert und hat sich bereits zur Geriatriefachkraft weitergebildet.“ Inzwischen arbeite auch Campos´ Frau als Pflegefachkraft beim Klinikum. „Wir sind sehr froh und dankbar über die Unterstützung aus dem Ausland, ohne sie würden wir es nicht schaffen. Den Pflegekräftemangel in Deutschland spüren wir“, betont die Stationsleiterin.

Die Station „S1“ ist an diesem Morgen noch nicht vollbelegt. Allerdings sind bereits vier Neuzugänge angekündigt. „Die Zahl der Neuzugänge am Tag ist nicht vorhersehbar und schwankt stark. So können im Tagesverlauf schon mal bis zu zehn neue Patienten bei uns aufgenommen werden“, so Campos, den der Landrat auf seinem morgendlichen Patientenrundgang unterstützt. „Durch schnelle Untersuchungen und kurzfristige OP-Termine können wir viele Patienten schnell wieder entlassen, auch spät abends oder am Wochenende. Das ist gut für die Patienten, wenn auch für uns aufwändig, denn jede Entlassung muss genau dokumentiert werden, Zimmer und Bett wieder für den nächsten Patienten hergerichtet werden.“

Campos´ Dienst begann um 6 Uhr mit der Übergabe. Für zehn bis zwölf Patienten pro Schicht ist eine Pflegefachkraft zuständig. Das heißt Wecken und Kontrollblick in alle Zimmer, Frühstück verteilen und bei Bedarf beim Essen unterstützen. „Gerade hier auf unserer Station haben viele Patienten Schluckstörungen. Wasser muss angedickt werden, das Essen muss speziell hergerichtet sein, alles in Absprache mit dem Logopäden. Wir leiten den Patienten an, wieder selbst zu essen und beobachten und dokumentieren Fortschritte. Das gleiche ist bei der Körperpflege der Fall. Wir begleiten den Patienten zum Waschbecken und helfen ihm, sich selbst zu versorgen“, erklärt der Pfleger. Anleiten und dokumentieren, das sei für die Therapie gerade von Schlaganfallpatienten sehr wichtig. Und brauche mehr Zeit als die reine Pflege. Dazu komme, dass etwa die Hälfte der Patienten pflegeaufwändig sei und entsprechend mehr Betreuung und Zuwendung brauche.

Auf seinem Patientenrundgang kann Scherer bei den ersten zwei Patienten die Körpertemperatur im Ohr messen. „Das kann ich ganz gut, weil ich das bei meinen Kindern auch ab und zu mache“, schmunzelt der Landrat. Komplizierter wird es wenig später, wenn Blutdruck und Puls gemessen werden müssen. Aber nach genauer Anweisung durch den Pfleger gelingt dem Landrat auch das. Im nächsten Zimmer sitzt eine Frau auf ihrem Bett, die an der Wirbelsäule operiert worden war. Der Landrat assistiert während Campos das große Pflaster entfernt und die Wunde begutachtet – alles verheilt gut, Campos ist zufrieden.

Ein neuer Patient ist eingetroffen. Er ist Berufskraftfahrer und hat seit Jahren Rückenschmerzen. Nun seien sie aber so massiv, dass sein Arzt ihn ins Klinikum eingewiesen habe, meint der Mittfünfziger. Campos misst Körpertemperatur, Blutdruck und Puls und setzt sich mit ihm an den Tisch, um den Aufnahme-Fragebogen auszufüllen. Welche Medikamente nehmen Sie? Tragen Sie eine Brille oder Kontaktlinsen? Rauchen Sie? Viele Fragen sind zu beantworten bis zum Schluss aus Datenschutzgründen noch geklärt werden muss, ob der Patient damit einverstanden ist, dass sein Name an der Tür des Krankenzimmers steht.

Inzwischen ist es 10 Uhr und die Visite beginnt. Campos und der Landrat begleiten die philippinische Ärztin Dara Lazaro zu einem älteren Patienten, der unter Sensibilitätsstörungen an den Extremitäten leidet und im Zuge seiner Erkrankung eine Gangstörung entwickelt hat. Die Ärztin erkundigt sich nach Beschwerden oder Schmerzen, der Pfleger schildert, wie es dem Patienten nach seiner Beobachtung geht.

Als Landrat Scherer den Pfleger Campos fragt, ob er die Entscheidung schon einmal bereut hat, als Pfleger nach Deutschland zu kommen, und was ihm am Pflegeberuf gefällt, antwortet Campos: “Nein, noch nie. Ich fühle mich hier sehr wohl, im Kollegenkreis akzeptiert und gut integriert, der Beruf bereitet mir viel Freude, auch wenn er sehr anstrengend ist und man große Verantwortung trägt.“ Auch mit der Sprache komme er zurecht. „Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, dass ich hier außer deutsch auch noch Dialekt lernen muss“, fügt er lachend hinzu.

„Ich hatte schon vorher großen Respekt vor der Leistung der Pflegefachkräfte in unserem Klinikum. Das Praktikum hat mir nochmals verdeutlich, wie groß die Verantwortung und die Herausforderungen in diesem Beruf sind, aber auch, welche Erfüllung es sein kann, anderen Menschen einfühlsam, unmittelbar und hautnah helfen zu können“, sagt Scherer und fordert: „Die Rahmenbedingungen für Pflegekräfte müssen weiter verbessert werden, damit wieder mehr junge Menschen diesen tollen Beruf ergreifen.“

 

 

Information zu philippinischen Fachkräften

Das Ortenau Klinikum Lahr bemüht sich aktiv, den auch in der Ortenau spürbaren Fachkräftemangel in der Pflege in Deutschland durch Pflegekräfte aus dem Ausland auszugleichen. Gute Erfahrungen hat das Klinikum mit Pflegerinnen und Pflegern von den Philippinen gemacht. Über 30 philippinische Fachkräfte konnten bereits erfolgreich integriert werden. Auf den Philippinen gibt es mehr qualifizierte Pflegekräfte als offene Stellen. In Deutschland ist die Situation dagegen genau umgekehrt. Das statistische Bundesamt prognostiziert, dass nach dem jetzigen Stand 2025 über 200.000 Pflegekräfte in Deutschland fehlen werden, da immer mehr Fachkräfte benötigt werden.

Die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit hat deshalb auf politischer Ebene den Boden bereitet, um durch Unterstützung von Agenturen philippinische Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen. Noch auf den Philippinen werden die Fachkräfte sprachlich und fachlich auf ihre berufliche Tätigkeit und das Leben in Deutschland vorbereitet. Dabei weisen sie auch bereits in ihrem Heimatland die notwendigen Sprachkenntnisse mit einer Sprachprüfung nach. Sie lernen praxisorientiert die Unterschiede in der Ausbildung und in der Tätigkeit des Pflegeberufes im Vergleich zu ihrem Heimatland und können sich so auf ihre Arbeit in Deutschland einstellen. Nach sechs bis acht Monaten am Ortenau Klinikum wird ihre berufliche Qualifikation als Gesundheits- und Krankenpfleger durch das zuständige Regierungspräsidium Stuttgart nach bundesdeutschem Recht anerkannt.

Information zum Beruf Pflegefachkraft

Den Großteil des Pflegenachwuchses bildet das Ortenau Klinikum an seinem eigenen Institut für Gesundheitsfachberufe mit den Standorten Achern, Lahr und Offenburg sowie am Ökumenischen Institut für Pflegeberufe in der Ortenau aus, an dem es beteiligt ist. Die Ausbildung steht mit einem Abitur und einer mittleren Reife offen. Innerhalb von drei Jahren werden medizinische, pflegerische, psychologische, physiotherapeutische, kaufmännische und viele weitere Kenntnisse vermittelt, die für eine gute Patientenversorgung notwendig sind. Derzeit bildet das Ortenau Klinikum 230 Lernende in diesem Bereich aus. Mehr Informationen zur Ausbildung unter http://bildungszentren.ortenau-klinikum.de