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Datum: 28.11.2023

Ortenaukreis hilft Gewaltopfern
Das neue Sozialgesetzbuch XIV bietet höhere Geldleistungen und Fallmanagement

Menschen, die schwere Gewalttaten erlitten haben, können von einem Tag auf den anderen ohne jedes Verschulden erwerbsunfähig, hilflos oder pflegebedürftig werden. Aber auch bei weniger einschneidenden Folgen leiden Gewaltopfer manchmal noch lange nach der Gewalttat unter schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Seit 1976 leistet das Opferentschädigungsgesetz solchen Menschen Hilfe, als Entschädigung dafür, dass der Staat sie trotz aller Vorsorgemaßnahmen und seiner Polizeiorgane nicht vor einer Gewalttat schützen konnte.

Im neuen Sozialgesetzbuch XIV werden ab Januar 2024 das Opferentschädigungsgesetz und weitere Entschädigungsgesetze zusammengefasst. „Es bringt Verbesserungen für Gewalt- und Terroropfer, aber auch für Kriegsopfer, Opfer im Zivildienst, durch DDR-Unrecht und durch Schutzimpfungen Geschädigte“, erklärt Ingrid Oswald, Leiterin des Amts für Soziales und Versorgung des Ortenaukreises. „Das neue Recht zeigt deutlicher, dass der Staat Betroffenen nach einer Schädigung zur Seite steht und sie mit den gesundheitlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Folgen nicht alleine lässt“, so Oswald weiter.

Zukünftig könne nicht mehr nur ein tätlicher Angriff, sondern auch eine psychische Gewalttat wie schweres Stalking oder Mobbing mit schwerwiegenden Gesundheitsfolgen zu einem Recht auf Entschädigung führen. Außerdem würden die monatlichen Entschädigungszahlungen wesentlich erhöht. „Schnellere Hilfen in Form von sogenannten Trauma-Ambulanzen stehen Gewaltopfern, die schnell und unkompliziert psychotherapeutische Hilfe benötigen aufgrund der neuen Regelungen schon seit 2021 zur Verfügung“, erklärt die Amtsleiterin weiter. „Nun werden in Zukunft bei Bedarf unsere Fallmanager die Gewaltopfer von Anfang an bei der Antragstellung und im Verwaltungsverfahren unterstützen und begleiten, aber auch den weiteren Hilfebedarf ermitteln und Leistungen und Beratung durch andere Stellen koordinieren. Der Ortenaukreis hat für den neuen Aufgabenbereich zum 1. Januar 2024 bereits drei Fallmanager und -managerinnen im Einsatz, um die Betroffenen bestmöglich begleiten zu können.“

„Menschen, die in Deutschland Opfer einer Gewalttat wurden, können Anspruch auf Entschädigung haben. Zuerst muss jedoch die Gewalttat nachgewiesen sein – unabhängig davon, ob der Täter ermittelt worden ist oder nicht,“ so Oswald. Wichtig ist hier, dass das Opfer so bald wie möglich die Polizei einschaltet und Strafanzeige erstattet. „Ist der Betroffene durch die Tat erheblich und dauerhaft gesundheitlich geschädigt, sieht das Gesetz verschiedene Hilfen vor“, so die Amtsleiterin. „Das kann etwa die ärztliche, zahnärztliche und psychotherapeutische Behandlung sein, die medizinische und berufliche Rehabilitation, die Versorgung mit Hilfsmitteln, ergänzende Leistungen bei Pflegebedürftigkeit bis hin zu Bestattungsgeld.“ Sind die durch die Gewalttat hervorgerufenen Gesundheitsschäden sehr schwerwiegend, können laufende Entschädigungszahlungen an Geschädigte und ihre Hinterbliebenen gewährt werden. 

Grundsätzlich werden Personen, die bisher schon Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz erhalten, durch das neue Gesetz nicht schlechter gestellt als bisher. Speziell die Rentenempfänger profitieren von wesentlich höheren monatlichen Entschädigungszahlungen. Zu Besitzstand und Wahlrecht wird es noch im Dezember ein Beratungsangebot geben, das die Vor- und Nachteile eines Wechsels in das neue Recht darlegt. „Jeder Fall muss im Einzelnen und ganz individuell betrachtet, berechnet und die bisherigen Ansprüche den Leistungen nach dem SGB XIV gegenübergestellt werden“, erklärt Birgit Franz. Sie ist bereits als Fallmanagerin im Sachgebiet „Soziales Entschädigungsrecht“ eingesetzt. „Für die Berechtigten ist eine einmal getroffene Wahlentscheidung bindend und kann nicht zurückgenommen werden.“

Weitere Informationen gibt es im Landratsamt Ortenaukreis im Sachgebiet Soziales Entschädigungsrecht, E-Mail: entschaedigungsrecht@ortenaukreis.de, Tel. 0781 805 – 1242.

Hintergrundinformation Statistik:

Bisher wurden alleine im Jahr 2023 im Bereich der Opferentschädigung (OEG) von Kriegs- und Gewaltopfer, des Infektionsschutzes (IfSG) und der Kriegsopferfürsorge (KOF) 142 Erstanträge bearbeitet. Neben den Anträgen werden mehr als 1.500 Fälle im Sachgebiet Soziales Entschädigungsrecht geführt. Im Leistungsbereich der Blindenhilfe werden bis zu 60 Anträge im Jahr und aktuell 304 laufende Fälle bearbeitet.

Hintergrundinformation Historie:

Das Soziale Entschädigungsrecht hat sich aus der Versorgung von verwundeten Soldaten und Hinterbliebenen der Gefallenen entwickelt. Menschen, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung im Krieg erlitten hatten, oder Hinterbliebene sollten in eine angemessene wirtschaftliche Lage versetzt werden. Als eines der ersten größeren Gesetzesvorhaben der Bundesrepublik Deutschland trat das Bundesversorgungsgesetz zum 1. Oktober 1950 in Kraft. Durch das Gesetz über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung wurden 1951 die staatlichen Versorgungsämter errichtet. Zeitgleich entstand die Kriegsopferfürsorge als kommunale Aufgabe.

In den folgenden Jahrzehnten schuf der Staat für weitere Personengruppen Entschädigungsgrundlagen, so etwa 1960 für Hilfen für Menschen, die bei Ableistung des Zivildienstes gesundheitliche Schäden erlitten haben, durch das Zivildienstgesetz, 1961 für Impfgeschädigte durch das Bundesseuchengesetz, heute Infektionsschutzgesetz, und 1976 für Gewaltopfer durch das Opferentschädigungsgesetz.

Im Jahr 2005 wurden die Landesversorgungsämter in die Landkreise eingegliedert und die Zuständigkeit ging auf das Sachgebiet Soziales Entschädigungsrecht im Amt für Soziales und Versorgung des Ortenaukreises über.