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Datum: 20.10.2022

Förderstopp des Bundes behindert Ortenauer Breitbandausbau massiv

Landrat Frank Scherer wendet sich an Abgeordnete: „Eine völlig unverständliche Entscheidung mit katastrophalen Folgen“ 

Der Bund hat seine Gigabit-Förderung für schnelles Internet wegen fehlenden Geldes in diesem Jahr vorzeitig eingestellt. Gestern informierte Bundesverkehrsminister Volker Wissing, dass die zur Verfügung stehende Fördersumme von drei Milliarden Euro ausgeschöpft sei. Landrat Frank Scherer reagiert mit Fassungslosigkeit auf diese Meldung und kritisiert den Förderstopp als eine „völlig unverständliche Entscheidung mit katastrophalen Folgen“. Scherer bemängelt zudem die Kurzfristigkeit und mangelnde Kommunikation der Bundesregierung. In einem Schreiben an die Bundestags– und Landtagsabgeordneten des Ortenaukreises appelliert der Landrat an die Parlamentarier, sich für eine für eine „unverzügliche Wiederaufnahme der Graue-Flecken-Förderung einzusetzen“.

Das Schreiben vom 20. Oktober 2022 im Wortlaut:

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter,

mit Fassungslosigkeit musste ich am gestrigen Tage zur Kenntnis nehmen, dass die Bundesregierung durch Herrn Minister Wissing das überaus erfolgreiche und für den Breitbandausbau im Ländlichen Raum elementar wichtige Förderprogramm zum Ausbau der Grauen Flecken ohne jegliche Vorankündigung von einem auf den anderen Tag gestoppt hat.

Der Ortenaukreis als größter Landkreis Baden-Württembergs ist mit seinen im Ländlichen Raum gelegenen Kommunen von der Breitbandförderung des Bundes abhängig, um die allseits ausgegebenen und ambitionierten Digitalisierungsziele erreichen zu können. Die Versorgung der Bevölkerung, Wirtschaft, Schulen, Krankenhäuser und der Verwaltung mit flächendeckendem schnellem Internet steht und fällt mit den Fördermitteln, die der Bund bislang zur Verfügung stellte. Durch die oft weiten Entfernungen, die in den ländlichen Gebieten mit Glasfaserkabeln überwunden werden müssen, ist der privatwirtschaftliche Ausbau häufig nicht rentabel und nur durch den geförderten Ausbau zu realisieren. Gerade dieser Umstand ist der Bundesregierung bekannt, war er doch ein Grund für die Förderung. Im Ortenaukreis haben wir mittlerweile durch Organisations- und Verhandlungsgeschick ein wohl einzigartiges Modell entwickelt, das den geförderten und den eigenwirtschaftlichen Breitbandausbau durch die unmittelbare Zusammenarbeit der Telekommunikationsunternehmen und der Breitband Ortenau GmbH & Co. KG verbindet. Mit unserer zweigleisigen, aufeinander abgestimmten Ausbaustrategie können wir bis 2025 den ganzen Ortenaukreis mit Highspeed-Internet versorgen. Das heißt jeder Haushalt, jede Bildungseinrichtung und jedes Unternehmen soll dann mit mindestens 100 Megabit versorgt sein. Darüber hinaus wollten wir bis zum Jahr 2026 etwa 70 Prozent der Gebäude in der Ortenau mit einem Glasfaseranschluss ausstatten.

Nach der nun bekannt gewordenen Entscheidung und den dazu kommunizierten Überlegungen könnte die weitere Förderung des Breitbandausbaus erst im Januar 2023 wieder starten. Medienberichten zufolge ist Herr Minister Wissing wohl der Auffassung, durch den derzeitigen Stopp der Graue-Flecken-Förderung sei keine zeitliche Verzögerung zu erwarten. Diese ist eine völlig aus der Luft gegriffene, falsche Einschätzung, mit der offensichtlich nur die Öffentlichkeit beruhigt werden soll.

Im Ortenaukreis haben wir für das laufende Budget bisher Anträge für Investitionen in Höhe von 142 Millionen Euro einreichen können. Durch die nun nicht mehr mögliche Antragstellung bleiben zu fördernde und zu großen Teilen schon vorbereitete Ausbauvorhaben in einem Umfang von 128 Millionen Euro offen. Die Investitionssummen im eigenwirtschaftlichen Ausbau, der mit dem geförderten Ausbau gemeinsam verwirklicht werden soll, lassen sich noch gar nicht beziffern. Diese hängen mit der Verfügbarkeit der Fördergelder zusammen, weil in deren Rahmen häufig bereits Mitverlegungen von Passivinfrastrukturen für die geförderten Gebiete erfolgen. Ohne die parallele Mitverlegung müssen Straßenkörper mehrfach aufgerissen werden, was nicht nur vor dem Hintergrund verfügbarer Bauressourcen ineffizient und zeitaufwändig ist. Entsprechende Maßnahmen sollten bereits sukzessive im Herbst starten und sind ohne eine Förderzusage nicht möglich. Wenn sich ab Januar 2023 zusätzlich die Förderkulisse ändern würde, ist durch eventuell erforderliche neue Markterkundungsverfahren und Netzbetreiberausschreibungen eine Verzögerung von ca. einem Jahr zu erwarten.

Angesichts dessen ist der Förderstopp eine völlig unverständliche Entscheidung mit katastrophalen Folgen, die den Akteuren des Breitbandausbaus und der Öffentlichkeit nicht vermittelbar ist. Das ist ein völlig falsches Signal für die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes, hier werden die falschen Prioritäten gesetzt und so dem Standort Deutschland zusätzlich zu den wirtschaftlichen Herausforderungen aufgrund des Krieges in der Ukraine schwer geschadet. Auch die Kurzfristigkeit und mangelnde Kommunikation der Bundesregierung macht mich fassungslos.

Ich möchte Sie daher dringend bitten, sich für eine unverzügliche Wiederaufnahme der Graue-Flecken-Förderung einzusetzen. Unser hybrides Ausbaumodell aus eigenwirtschaftlichem und geförderten Ausbau hat sich etabliert und eine Erreichung der ambitionierten Digitalisierungsziele in greifbare Nähe rücken lassen. Eine Verzögerung ist nicht akzeptabel.

Mit freundlichen Grüßen

Frank Scherer