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Datum: 19.02.2019

»Lebensretter am Telefon«

Perspektivwechsel: Landrat Frank Scherer macht Schnupperpraktika als Leitstellendisponent

„Notruf Feuerwehr und Rettungsdienst – wo genau ist der Notfallort?“ - es sind immer die gleichen Worte mit denen Thomas Udri seine Telefonate beginnt. Über das Headset nimmt der 39-jährige Offenburger einen Anruf nach dem anderen entgegen. Udri ist Disponent der Integrierten Leitstelle Ortenau (ILS) – und ein Lebensretter am Telefon.
Über 160.000 Einsätze im Jahr koordiniert die ILS. Alle Anrufe unter der Notrufnummer 112, die im Ortenaukreis gewählt werden, gehen hier ein. Die Leitstelle ist zuständig für die Koordination aller rettungsdienstlichen Einsätze vom Herzinfarkt bis zum Autounfall und für alle Einsätze der Feuerwehren. Betrieben wird sie gemeinsam von der DRK Rettungsdienst Ortenau (DRK) und dem Landratsamt Ortenaukreis. Die insgesamt 34 als Disponenten tätigen Mitarbeiter arbeiten rund um die Uhr, sie haben alle eine Ausbildung zum Rettungsassistenten oder Notfallsanitäter mit mehrjähriger Berufserfahrung. Hinzu kommt eine feuerwehrtechnische Ausbildung und eine spezielle, modular aufgebaute Fortbildung zum Leitstellendisponenten, um beispielsweise in den Bereichen Einsatztaktik, Recht und in Koordinierungsgrundsätzen geschult zu sein. Mit ihren gezielten Fragenverschaffen sie sich gekonnt einen Überblick über die Situation vor Ort und geben auf dieser Basis wichtige erste Verhaltenshinweise und koordinieren die Hilfeleistungen.

Jede Sekunde zählt

„Ist die Person noch ansprechbar, hat sie Schmerzen?“, fragt Udri. Er ist hoch konzentriert, seine Finger flitzen über die Computer-Tastatur. Während er mit ruhiger Stimme weiter spricht, blickt Udri auf die fünf Bildschirme vor ihm. Auf einem ist eine Landkarte geöffnet, darauf lokalisiert er den Unfallort. Auf dem Monitor daneben bekommt der Leitstellen-Disponent einen Überblick über Positionen und Verfügbarkeiten von Rettungsfahrzeugen und Hubschraubern - in Echtzeit. So weiß er immer, welches Fahrzeug dem Umfallort am nächsten ist und kann entsprechend schnell Hilfe schicken. „Der Rettungswagen ist unterwegs, Hilfe kommt gleich, bleiben Sie bitte bei der verletzten Person“, sagt Udri und legt auf. Dieser Einsatz ging gut aus, ein Waldarbeiter hatte einen Kreislaufkollaps erlitten und konnte durch die Helfer vor Ort schnell stabilisiert werden. „Es gibt aber auch Einsätze, da zählt jede Sekunde“, weiß der ausgebildete Notfallsanitäter. „Wenn Personen nicht ansprechbar sind und nicht mehr atmen, dann müssen wir am Telefon sofort Hilfestellung und Anweisungen für die Wiederbelebung des Bewusstlosen geben, um die wertvolle Zeit überbrücken, bis der Notarzt eintrifft – das passiert immer wieder“.

Neben Udri sitzt an diesem Dienstagmorgen im Februar Landrat Frank Scherer. In Schnupperpraktika will Scherer die vielen Berufsbilder des Landratsamtes hautnah kennen lernen. Im Januar war er mit Straßenwärter Simon Zeil im Schneepflug unterwegs und half mit, die Schwarzwaldhochstraße von den Schneemassen zu befreien. Heute trägt Scherer die blaue ILS-Weste, über das Headset ist er bei jedem Anruf live dabei. 20 Einsätze laufen aktuell gleichzeitig, ein relativ ruhiger Tag, sagen die fünf Disponenten. Eine ältere Frau verletzt sich beim Treppensturz, ein Arbeiter ist in einer Industriemaschine eingeklemmt, ein Anrufer meldet Brandgeruch, zu einem schweren Verkehrsunfall in Wolfach schickt das Team Udri-Scherer einen Rettungshubschrauber.

Professionalität und dem Einfühlungsvermögen gefragt

„Der Vormittag in der Leitstelle war sehr beeindruckend für mich. Ich habe größten Respekt vor der Professionalität und dem Einfühlungsvermögen unserer Leitstellendisponenten, die hier unter Dauerspannung in kürzester Zeit lebenswichtige Entscheidungen treffen müssen. Wir alle müssen einfach nur sehr dankbar sein, dass es so engagierte, gut ausgebildete Menschen gibt, die eine derart hohe Verantwortung für unsere Sicherheit übernehmen“, sagt Scherer.

Warum er sich für diesen Beruf entschieden habe, will der Landrat abschließend vom Disponenten wissen. „Ich habe 15 Jahre als Notfallsanitäter gearbeitet, ich wollte meinen Horizont erweitern und die andere Seite sehen“, sagt Udri. „Bereut habe ich diese Entscheidung nie.“ Der zweifache Familienvater schätzt besonders die Wichtig- und Wertigkeit seiner Arbeit. „Bürger rufen bei uns an, weil sie nicht mehr weiter wissen. Die Gewissheit, in diesen oft auch für die Anrufer scheinbar auswegslosen Situationen helfen zu können, ist einfach erfüllend.“

Helden gesucht

Um als Disponent auf der ILS eingesetzt werden zu können, ist zunächst eine Ausbildung als Notfallsanitäter oder Rettungsassistent erforderlich. Danach erfolgt die Weiterbildung zum Leitstellendisponent, welche auch die notwendige feuerwehrtechnische Ausbildung (bei der ILS Ortenau mindestens bis zum Zugführer) umfasst. „Dies geschieht bei laufendem Betrieb durch unsere Praxisanleiter“, informiert Urs Kramer, Leiter des Amts für Brand- und Katastrophenschutz des Ortenaukreises. Im Rahmen einer Ausbildungsoffensive werde demnächst für das Berufsbild des Leitstellendisponenten auf der ILS offensiv geworben. „Wir optimieren gerade die innerbetrieblichen Möglichkeiten der Weiterbildung zum Leitstellendisponenten. Denn die Arbeitsmarktsituation ist derzeit schwierig, es fehlt an Fachpersonal mit der rettungsdienstlichen Ausbildung. Deshalb prüfen wir, ob wir eigene Ausbildungsplätze zum Leitstellendisponenten einrichten“, so Kramer.
Initiativ-Bewerbungen als Leitstellen Disponent gerne an leitung@ils.ortenaukreis.de oder per Telefon unter: 0781-92379817.

Info Integrierte Leitstelle Ortenau:

Die Integrierte Leitstelle Ortenau wird von der DRK Rettungsdienst Ortenau gGmbH (DRK) gemeinsam mit dem Landratsamt Ortenaukreis in Kooperation betrieben. Beide Partner stellen gemeinsam das Personal, geleitet wird die Leitstelle von Georg Santl vom DRK, sein Stellvertreter ist Torsten Wiucha vom Landratsamt.

In der Integrierten Leitstelle Ortenau stehen aktuell sechs Disponenten-Arbeitsplätze zur Verfügung, weiterhin fünf Ausnahmeabfrageplätze, die bei Großschadenslagen wie Unwetter und Hochwasser, aber auch bei einem Massenanfall von Verletzten besetzt werden können.

Die Disponenten arbeiten mit einem modernen, EDV-gestützten Einsatzleitsystem, darin sind alle wichtigen Grunddaten des Ortenaukreises gespeichert. Darunter alle rund 1000 Straßenkilometer des Ortenaukreises in den 51 Städten und Gemeinden mit 160 Ortsteilen. Wichtige Straßen wie Bundesautobahnen und Bundesstraßen sind zusätzlich mit einer Kilometrierung unterteilt, bei allen anderen Land- und Kreisstraßen sind die wichtigen Kreuzungen und Kreisverkehre erfasst. Ebenso sind auch alle wichtigen Objekte wie Krankenhäuser, Pflegeheime, Schulen, Sportplätze etc. im Einsatzleitsystem hinterlegt. Ergänzt werden die Daten durch die rund 480 automatischen Brandmeldeanlagen in verschiedensten Objekten des Ortenaukreises.