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Datum: 28.12.2022

»Wer Krise kann, der kann auch Zukunft gestalten«

Landrat Frank Scherer wirft in einem Jahresrückblick Schlaglichter auf die Arbeit von Kreisverwaltung und Kreistag in diesem Jahr

Traditionell zum Jahresende blickt Landrat Frank Scherer in Schlaglichtern auf die wichtigen Themenfelder von Kreistag und Kreisverwaltung zurück. „Wieder geht ein Jahr zu Ende, das völlig anders verlaufen ist, als wir es erwartet und erhofft haben. Der nahtlose Übergang von der Corona-Pandemie in die Wirtschafts- und Flüchtlingskrise aufgrund des Ukrainekriegs, das bedeutete einen enormen Stresstest für alle.“ Die Bewältigung dessen werde auch im kommenden Jahr den größten Einsatz aller Beteiligten fordern, prognostiziert Scherer. „Ich bin aber zuversichtlich, dass wir dazu die Vernunft und Kraft haben und sich deshalb letztlich auch die demokratischen Mehrheiten für die notwendigen Kurskorrekturen finden werden“, so Scherer, der den Kreistagsmitgliedern und seinen Mitarbeitenden im Landratsamt und einen großen Dank für die geleistete Arbeit im zu Ende gehenden Jahr aussprach. „Zusammen haben wir Enormes geleistet und können mit Zuversicht ins nächste Jahr blicken. Wer Krise kann, der kann auch Zukunft gestalten!“, betont der Landrat.

In 29 Sitzungen der Kreisgremien haben die Kreistagsmitglieder viele wichtige Entscheidungen getroffen. Mit der Bewältigung der Flüchtlingskrise und der Verdopplung der Unterbringungskapazitäten, der Verabschiedung eines Rekord-Doppelhaushalts mit einem Volumen von 1,4 Milliarden Euro, der Umsetzung der Agenda 2030 und der Umwandlung des Ortenau Klinikum von einem Eigenbetrieb in eine gemeinnützige Kommunalanstalt des öffentlichen Rechts, dem weiteren Ausbau der Breitband-Infrastrukturen, der Abwicklung des Corona-Management und dem Betrieb und Abbau der Kreisimpfzentren nennt Landrat Scherer die wichtigsten Politikfelder der vergangenen zwölf Monate.

Ortenau Klinikum

Mit der Umsetzung des größten Finanzvorhabens der Kreisgeschichte, der Agenda 2030, liege der Ortenaukreis voll im Zeitplan. „Wir setzen eine Klinikreform um, die landes- und bundesweit als Leuchtturmprojekt gilt und Minister Lucha hat uns dafür wiederholt Förderung von 60 Prozent in Aussicht gestellt. Deshalb haben wir diesen Fördersatz auch in unserem Finanzierungsmodell berücksichtigt“, erklärt Scherer. Statt 597 Millionen Euro bei einer 50-prozentigen Förderung werden somit voraussichtlich 517 Millionen Euro an Kreismitteln erforderlich. Dass das Land zu seinen Zusagen stehe, zeige schon die Aufnahme der Planungskosten für die weiter vorangeschrittenen Neubauvorhaben in Achern und Offenburg in das Landeskrankenhausbauprogramm. Auch die Planungen für Lahr seien auf der Zielgeraden und würden noch im ersten Quartal 2023 konkretisiert werden können.

In Achern sollen die ersten Bagger schon 2023 rollen, der Bauantrag für den Neubau des Ortenau Klinikums im Brachfeld wurde noch im Dezember eingereicht, 2028 soll das Krankenhaus dann in Betrieb gehen. Bereits in den kommenden Jahren werden die Zentren für Gesundheit in Oberkirch, Gengenbach und Ettenheim eröffnet. „Dort werden wir die ambulante und pflegerische Versorgung mit modernen und leistungsfähigen Angeboten deutlich verbessern. Für diese sogenannte zweite Säule sind im Doppelhaushalt 4,8 Millionen Euro für Investitionen und zur Übernahme von vorauskalkulierten Defiziten vorgesehen“, so Scherer.

Anstalt des Öffentlichen Rechts

Ende 2022 konnte nach rund zweijährigen Beratungen im Kreistag und der Klärung zahlreicher rechtlicher und organisatorischer Fragen auch der Rechtsformwechsel des Ortenau Klinikums erfolgreich abgeschlossen werden. Nachdem zuvor bereits das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg sowie das Regierungspräsidium Freiburg ihre Zustimmung zum Rechtsformwechsel gegeben haben, haben Anfang Dezember jetzt auch die Finanzbehörden des Landes grünes Licht erteilt. Damit kann der Klinikverbund den vom Kreistag am 8. November mit großer Mehrheit gefassten Beschluss zur Umwandlung des Ortenau Klinikum von einem Eigenbetrieb in eine gemeinnützige Kommunalanstalt der öffentlichen Rechts (gKAöR) zum 1. Januar 2023 umsetzen. „Dass die Umwandlung wie geplant zum Jahreswechsel erfolgen kann, ist eine gute Nachricht. Dadurch können wir die Vorteile der neuen Rechtsform ohne Verzögerung nutzen. Mit dieser Entscheidung stärken wir die Handlungsfähigkeit und die Beteiligung der Beschäftigten und bekennen uns klar und dauerhaft zur öffentlich-rechtlichen Trägerschaft “, unterstreicht Landrat Frank Scherer. „Für einen Klinikverbund unserer Größe und Bedeutung waren die Entscheidungsstrukturen und –abläufe nicht mehr zeitgemäß. Jetzt bekommen wir die Werkzeuge für ein schnelleres und effizienteres Handeln und können so besser auf die sich rasch ändernden Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen und den zunehmenden Wettbewerb der Kliniken reagieren. Für die Umsetzung unseres Zukunftsprojekts Ortenau 2030 und den Aufbau und die Verzahnung von ambulanten und stationären Strukturen in unseren Zentren für Gesundheit sind wir damit in den kommenden Jahren gut aufgestellt. Alle politisch relevanten Themen werden weiterhin öffentlich im Kreistag beraten und entschieden."

Ortenau MVZ

Im Zuge der „Agenda 2030“, mit der die Ortenau die klinische sowie ambulante Gesundheitsversorgung unter der Trägerschaft des Landkreises neu aufstellt, war im vergangenen Herbst auch die Überarbeitung des Markenauftritts des Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) beauftragt worden, die sich seit Mitte des Jahres als „Ortenau MVZ“ neu positionierten. „Damit haben wir unsere Aufgabe klar herausgestellt und bieten mehr Service: für Patientinnen und Patienten, aber eben auch für die Menschen, die mit ihrer Arbeit jeden Tag aufs Neue eine erstklassige medizinische Versorgung in der Ortenau sicherstellen“, erklärt MVZ-Geschäftsführer Rainer Bühn. Mit dieser gelungenen gestalterischen und technischen Neuaufstellung wurde ein wichtiger Schritt getan, um die mit der Agenda 2030 entschiedene Aufwertung und Ausweitung der Ortenau MVZ zur ‚ambulanten Säule‘ im Kreis weiter voranzubringen, ergänzt der Landrat.

Aus den Dezernaten sind insbesondere die folgenden Schlaglichter in 2022 hervorzuheben.


Dezernat 1 - Zentrale Steuerung:

Führungswechsel
Das Dezernat 1 für „Zentrale Steuerung“ hat in diesem Jahr eine große Veränderung erfahren. Nach 42 Jahren beim Landratsamt und über 15 Jahren als Dezernentin ging Jutta Gnädig Ende August in den Ruhestand. „Jutta Gnädig hat das Landratsamt in den letzten 15 Jahren organisatorisch gelenkt und vorangebracht, wichtige strategische Wegmarken gesetzt sowie zahlreiche Mammuthaushalte eingebracht“, betonte Landrat Frank Scherer in der Verabschiedungsrede. Mit unerschöpflicher Energie, niemals nachlassendem Engagement, hoher Fachkompetenz und enormem Detailwissen habe Jutta Gnädig ihre verantwortungsvolle und herausgehobene Aufgabe im Ortenaukreis hervorragend gemeistert. Anfang Mai wurde Ulrike Karl vom Kreistag zur neuen Leiterin des Dezernats für Zentrale Steuerung gewählt, seit August trägt die studierte Diplom-Verwaltungswirtin Verantwortung für rund 450 Mitarbeitende im „D1“

Rekord-Doppelhaushalt

Karl war gleich intensiv mit der Aufstellung des Rekord-Doppelhaushalts des Ortenaukreises mit einem Volumen von 1,4 Milliarden Euro befasst, der am 15. Dezember 2022 bei nur vier Gegenstimmen und sechs Enthaltungen und ohne einen einzigen Änderungsantrag von dem 83-köpfige Kreistag mit überwältigender Mehrheit beschlossen wurde. „Dieser gemeinsam mit dem Dezernat 1 erarbeitete Entwurf des Haushaltsplans 2023/24 war der schwerste meiner bisherigen Amtszeit, muss er doch gleich mehreren großen Herausforderungen gerecht werden“, erklärt Scherer und nennt die massiven Kostensteigerungen, insbesondere im Energiebereich, enorm steigende und von der Kreisverwaltung kaum steuerbare Sozialkosten, die durch den Zustrom von Flüchtlingen zusätzlich steigen, und eine kommende Rezession statt Konjunktur, mit der Folge eines strukturellen Defizits im Sozialbereich. „Angesichts dessen hat der Kreistag mit seinem Beschluss grünes Licht für einen Kurs gegeben, der streng an den Maximen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit ausgerichtet ist.“

Die Personalkosten des Ortenaukreises lagen 2022 bei rund 131 Millionen Euro und machen rund 20 Prozent des Haushaltsvolumens aus. Damit lagen sie erneut unter dem Landesdurchschnitt. „Damit wir handlungsfähig bleiben, werden wir uns weiterhin kritisch selbst prüfen müssen, um beispielsweise selbst verursachte Bürokratie abbauen zu können, und wir werden teilweise neue, manchmal schmerzhafte Wege einschlagen müssen, die wir als Chance begreifen, um motiviert daran mitzuarbeiten, Staat und Gesellschaft fit für die Zukunft zu machen, im Interesse unserer Kinder und Enkel“, bekräftigt der Landrat.

Investitionen und Sanierungen

„Investitionen in Bildung haben für die Kreispolitik und Verwaltung weiterhin eine hohe Priorität im Interesse der kommenden Generation und unserer Unternehmen. Hier übernimmt der Ortenaukreis große Verantwortung und wirkt als wichtiger Standortmotor, alleine unsere Beruflichen Schulen besuchen über 7.000 junge Menschen“, erklärt Scherer. Deshalb werde auch das 2013 begonnene Sanierungsprogramm für die Schulgebäude des Kreises mit 9,2 Millionen Euro fortgeführt, hauptsächlich für die Beruflichen Schulen in Kehl, die Gewerblichen Schulen in Lahr, das Kreisschulzentrum und die Helme-Heine-Schule in Offenburg sowie die Renchtalschule Oberkirch. „Außerdem planen wir derzeit den Neubau der Sporthalle und der Hansjakobschule am Standort Kreisschulzentrum. Auch für diese beiden Maßnahmen werden 2023 Wettbewerbe gestartet“, ergänzt Dezernentin Karl.

Mit der Einweihung des dritten Bauabschnitts der Erweiterung der Gewerblich-Technischen Schule Offenburg wurde im September 2022 die - abgesehen von den Kliniken – aktuell größte Einzelbaumaßnahme des Ortenaukreises abgeschlossen. Rund 28 Millionen Euro investierte der Ortenaukreis in das neue Schulgebäude an der Moltkestraße. „Mit diesem Mammutprojekt setzen wir ein deutliches Zeichen zur Stärkung des Bildungs- und Wirtschaftsstandorts Ortenau und betonen den hohen Stellenwert, den Berufliche Schulen gerade auch im Ländlichen Raum haben. Wir schaffen Zukunftschancen für junge Leute und bilden Fachkräfte für Industrie und Handwerk aus“, freute sich Landrat Frank Scherer bei der Einweihung. Am 16. Dezember 2003 hatte der Kreistag die Erweiterung der Gewerblichen Schulen Offenburg beschlossen. „Im ersten und zweiten Bauabschnitt hat der Kreis für zwei Neubauten an der Moltkestraße rund 20 Millionen Euro eingesetzt und die Standorte der Schule damit von vier auf zwei reduziert. Mit dem jetzt fertig gestellten dritten Bauabschnitt hat der Kreis insgesamt rund 48 Millionen Euro in die Erweiterung und Modernisierung der Schule investiert“, so Ulrike Karl. Im späteren vierten Bauabschnitt werden weitere veraltete Schulräume und Werkstätten ersetzt und im letzten Bauabschnitt ist der Neubau einer Sporthalle vorgesehen.

Schwarzwälder Freilichtmuseum Vogtsbauernhof

Mit rund 180.000 Besuchern endete die 58. Saison des Schwarzwälder Freilichtmuseums Vogtsbauernhof in Gutach sehr erfolgreich. Mit diesem Jahresergebnis knüpft das älteste Freilichtmuseum des Landes an das Vor-Pandemie-Niveau von 2019 an, in dem rund 210.000 Gäste in das Museum kamen. Im Vergleich zum Vorjahr erzielt die Einrichtung ein deutliches Besucherplus von rund 50 Prozent und behauptete weiterhin seine Spitzenposition als besucherstärkstes Freilichtmuseum in Baden-Württemberg.

Ein Meilenstein für das Museum war die Grundsteinlegung am 14. September zur Versetzung eines historischen Rebhofs von Durbach nach Gutach. Inzwischen steht das Fachwerkgebäude von 1775, das einst Teil eines Winzergehöfts war. Es wurde in einem aufwändigen Großteil-Translozierungsverfahren in das Freilichtmuseum gebracht und soll dort die Ortenau als Herkunftsregion repräsentieren und unter anderem den traditionellen Weinanbau in der Ortenau thematisch aufgreifen. Neben dem „Ortenauhaus“ wird eine Winzerstube zur infrastrukturellen Nutzung neu gebaut. „Das Ortenauhaus aus Durbach steht als Zeugnis für eine WWW – eine Welt zwischen Wald und Wein“, führte Landrat Scherer bei der Grundsteinlegung aus. Schon rein äußerlich bringe es zwei wichtige Botschaften mit: Dass der Schwarzwald nicht nur eine Holzhauslandschaft und die Ortenau auch architektonisch eine Region großer Vielfalt sei. „Das Museum wird mit diesem Gebäude ein bauliches Zeugnis unserer Kulturlandschaft dauerhaft für die Nachwelt präsentieren und bewahren“, so Scherer.

Die Versetzung des Ortenauhauses ist das zweite Großprojekt im Rahmen der vom Kreistag 2014 beschlossenen Erweiterung des Freilichtmuseums Vogstbauernhof. Insgesamt drei Häuser aus den nördlichen Regionen des Schwarzwalds sollen den bisherigen Gebäudebestand ergänzen. Mit der Umsetzung des Schlössles von Effringen, Wildberg, Landkreis Calw, in den Jahren 2015 bis 2018 wurde bereits der Anfang gemacht. Der Innenausbau sowie die Einrichtung des Ortenauhauses erfolgen bis Frühsommer 2023. Die Eröffnung findet am 2. Juli 2023 statt. Die Kosten für das Großprojekt inklusive Erschließung und Bau der Winzerstube belaufen sich auf 2,6 Millionen Euro. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg fördert das Projekt im Rahmen der Vergabe von Landeszuschüssen für Freilichtmuseen mit einer Summe von 1,21 Millionen. Die nach Abzug der Landesförderung verbleibenden 1,35 Millionen Euro werden je zur Hälfte über Eigenmittel des Freilichtmuseums sowie über eine Eigenkapitalerhöhung durch den Ortenaukreis finanziert.

Abfallwirtschaft

Mit 21.800 Teilnehmenden wurde bei der sechsten Ortenauer Kreisputzete ein Rekord-Ergebnis erzielt. Die vom Eigenbetrieb Abfallwirtschaft des Ortenaukreises zusammen mit den Städten und Gemeinden organisierte kreisweite Aufräum- und Saubermachaktion von Wald und Flur fand in diesem Jahr erstmals über einen Zeitraum von sechs Wochen statt.

Durch „To-go“-Einwegverpackungen entstehen in Deutschland täglich 770 Tonnen Verpackungsmüll. Ab dem 1. Januar 2023 müssen alle Betriebe, die über ein Mitnahme-Angebot von Speisen und Getränken verfügen, ihren Kundinnen und Kunden alternativ zur Einwegverpackung eine Mehrweglösung anbieten. Um den Einstieg ins Pfandsystem zu unterstützen hat der Eigenbetrieb zusammen mit der Tourismus-Abteilung des Landratsamts die Mehrweg-Aktion „Wir machen den Deckel drauf“ initiiert. Der Ortenau-Deckel wird in limitierter Auflage an gastronomische Betriebe, die sich am Pfandsystem des größten Mehrweganbieters in Deutschland „Recup“ beteiligen, kostenlos ausgegeben und soll als Anstoß für die Betriebe dienen, ein einheitliches Mehrwegangebot einzuführen. „Mit der Aktion setzen wir uns für Mehrweglösungen ein und knüpfen auch an die vor einigen Jahren vom Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau initiierte grenzüberschreitende Kampagne „Coffee to go – nochemol“ an. Der individuell gestaltete Deckel setzt ein attraktives Zeichen für Mehrweg in der Ortenau“, erklärt Günter Arbogast, Geschäftsführer des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft.

Landesweite Beachtung erfuhr das im November gestartete Pilotprojekt des Eigenbetriebs zur Abfallvermeidung. Auf dem Wertstoffhof Schwanau-Ottenheim eröffnete das erste „Geschenkt!“-Haus. Dort können gut erhaltene Gegenstände, die sonst im Restmüll oder Sperrmüll landen würden, abgegeben und andere aus dem „Geschenkt!“- Haus kostenlos mitgenommen werden. Damit unterstützt die Abfallwirtschaft die weitere Verwendung von gebrauchten Gegenständen und leistet so einen Beitrag zur Abfallvermeidung, wertvolle Ressourcen werden geschont.

Daneben konnte eine erste Teilfläche der Erweiterungsfläche der Bodenaushubdeponie in Neuried-Altenheim mit einem zusätzlichen Verfüllvolumen von 650.000 Kubikmetern in Betrieb genommen und damit ein Beitrag zur Entsorgungssicherheit für die nächsten Jahrzehnte geleistet werden. Auf der ehemaligen Hausmülldeponie „Vulkan“ in Haslach wurden Ende des Jahres die

Sanierungsarbeiten zur Gaserfassung mit einem Investitionsvolumen von 1,2 Millionen Euro erfolgreich abgeschlossen. 

Dezernat 2 - Infrastrukturen, Baurecht und Migration:

Migration

Das zum Dezernat von Michael Loritz gehörenden Migrationsamt stand in diesem Jahr besonders im Fokus. Seit dem 2. Weltkrieg sind noch nie so viele Flüchtlinge innerhalb so kurzer Zeit nach Deutschland gekommen wie in diesem Jahr - und damit auch in den Ortenaukreis. Aufgrund des seit dem 24. Februar 2022 herrschenden Krieges in der Ukraine sind die Flüchtlingszahlen innerhalb sehr kurzer Zeit besonders stark angestiegen – der Betreuungs- und Unterbringungsaufwand des Kreises multiplizierte sich. „Zum 31. Dezember 2021 lebten in der Ortenau noch 637 ukrainische Staatsangehörige, heute sind es über 5.100. Gleichzeitig bleibt auch der allgemeine Flüchtlingszugang auf einem sehr hohen Niveau, wir haben im Ortenaukreis bis Ende Dezember über 1.300 Flüchtlinge aus anderen Ländern als der Ukraine aufgenommen“, so der Landrat. Vorausschauend habe der Kreis bereits im Herbst 2021, als die Prognosen von steigenden Zahlen ausgingen, damit begonnen, zusätzliche Unterkunftsplätze zu schaffen. „Dennoch mussten wir leider auch in diesem Jahr erstmals wieder kreiseigene Sporthallen in Lahr, Kehl und Gengenbach als reine Notunterkünfte herrichten. Hallen sind keine Lösung und es tut mir in der Seele weh, dass wir Hallen belegen müssen. Die stehen gerade leer und trotzdem kann der Sportunterricht nicht stattfinden“, so Scherer. Inzwischen wurden die Unterkunftsplätze in 34 Einrichtungen in 17 Städten und Gemeinden mit rund 2.700 Plätzen mehr als verdoppelt. „Weitere Objekte kommen hinzu, im März 2023 werden wir voraussichtlich den Höchststand der Kapazität mit 3.248 Plätzen erreicht haben“, erläutert Dezernent Michael Loritz. Dabei setze der Kreis weiterhin auf sein bewährtes Konzept einer Mischung aus mittelfristigen Objekten, Containeranlagen und kurzfristigen Verträgen, um flexibel auf die Entwicklungen reagieren zu können.

88 neue Stellen baut der Ortenaukreis zur Bewältigung der Flüchtlingskrise 88 auf, davon werden wiederum 27 Stellen aufgrund des Rechtskreiswechsels der Flüchtlinge aus der Ukraine benötigt. „Bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise handelt es sich nicht um eine kommunale, sondern eine staatliche Aufgabe. Wenn wir hier Aufgaben übernehmen, dann muss es eine zeitnahe und kostendeckende Finanzierung durch das Land geben. Doch bei der Spitzabrechnung der bisherigen Unterbringungskosten bspw. verhandelt das Land heute noch über das Jahr 2018 mit uns. Das kann so nicht weitergehen; wir brauchen ein auskömmliches und zeitnahes System der Finanzierung, vor allem angesichts des massiven Fluchtgeschehens“, appelliert Scherer.

Einbürgerungen

Bei der diesjährigen Einbürgerungsfeier begrüßte Landrat Frank Scherer 640 Neueingebürgerte im Ortenaukreis – und damit so viele wie noch nie. „Unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft braucht Einwanderung! Diese Erkenntnis ist nicht erst seit der Corona-Krise richtig, sondern schon seit Jahrzehnten“, so der Landrat in seiner Ansprache. „Durch Einwanderung haben wir als Gesellschaft die Chance, vielfältiger, bunter und reicher zu werden. Im Hinblick auf den Arbeitsmarkt können Menschen aus dem Ausland helfen, den Fachkräftemangel abzumildern. Wir brauchen sie, um die ‚black forest power region‘ zu bleiben, für die wir bekannt sind“, bekräftigte Scherer. Die 640 neuen deutschen Staatsbürger stammen aus 71 Nationen. 176 davon waren EU-Bürger. Die wesentlichen Herkunftsländer waren Türkei (83), Rumänien (55), Syrien (53), Irak (50), Italien (29), Kosovo (26), Palästina (25), Polen (22), Bulgarien (15) und Iran (15). Aktuell leben rund 62.000 Ausländerinnen und Ausländer im Ortenaukreis. Rund die Hälfte sind EU-Bürger. Damit macht der Ausländeranteil etwa 14 Prozent an der Kreisbevölkerung (rund 440.000 Einwohner) aus. Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund, zu denen etwa bereits eingebürgerte Personen oder Spätaussiedler zählen, liegt mit über 25 Prozent weitaus höher.

Verkehrsinfrastruktur

Neben der Umsetzung der im Vorjahr gestarteten großen ÖPNV-Reform schaffte das Dezernat von Michael Loritz weitere Grundlagen für Verbesserungen in der Verkehrsinfrastruktur des Ortenaukreises. So wurden neun Haltestellen barrierefrei gestaltet und neue Brücken über den Lautenbach in Lautenbach und über den Reichenbach bei Hornberg-Reichenbach errichtet. Innerhalb von rund acht Monaten Bauzeit entstand an der Kreuzung der Kreisstraße „K 5342“ an der Keltenstraße/Kehnerfeld in Kippenheim ein Kreisverkehr und an der Kreisstraße von Kippenheim nach Kippenheimweiler ein knapp 950 Meter langer Rad- und Gehweg. Mit dem 1,7 Millionen Euro-Projekt konnte nicht nur eine Lücke im Ortenauer Radwegenetz geschlossen werden, es wurde auch ein Unfallschwerpunkt entschärft. „Der neue Radweg sorgt für mehr Sicherheit und macht das Radfahren attraktiver“, so Loritz.

„Mobilität ist ein Grundbedürfnis der Bevölkerung und gerade in unserem ländlichen Raum von besonderer Bedeutung. Wer die Verkehrswende wirklich will, der darf deshalb im Ländlichen Raum nicht kleckern, sondern muss gerade hier klotzen“, betont Scherer. Deshalb werden im vom Kreistag in überwältigender Mehrheit beschlossene Doppelhaushalt 2023/24 auch die Aufwendungen für den ÖPNV gegenüber dem letzten Doppelhaushalt von 55,6 Millionen Euro auf 65,2 Millionen Euro erhöhen. „Das bedeutet eine weitere Steigerung um 17 Prozent, nachdem wir bereits im letzten Doppelhaushalt die Mittel um 46 Prozent erhöht hatten. So können wir das Angebot weiter ausbauen und gleichzeitig die erfolgreiche große Tarifreform aus dem Jahr 2021 im Haushalt absichern“, so Scherer. Daneben wolle der Kreis Park– bzw. Bike & Ride-Anlagen weiter fördern und die Mittel für die Verlängerung des Bahnhalts am Vogtsbauernhof für die Schwarzwaldbahn bereitstellen

Das Radwegenetz im Ortenaukreis entlang Kreisstraßen beträgt inzwischen über 180 Kilometer, es werde mit mindestens sechs Kilometern neuer Radwege pro Jahr ebenso fortgeführt wie die Sanierung von Kreisstraßen und Brücken mit Investitionen in Höhe von rund 24 Millionen Euro. Voran geht es auch mit den Planungen der neuen Kreisstraße K 5344 zwischen Ringsheim und Lahr, erste Grunderwerbsgespräche haben bereits stattgefunden, spätestens 2028 soll das gesamte Projekt realisiert sein.

Bereits zum dritten Mal hat der Ortenaukreis die „Goldenen Wildbiene“ im Rahmen des Wettbewerbs „Blühende Verkehrsinseln“ des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg gewonnen mit dem insektenfreundlich gestalteten Parkplatz an der B3 zwischen Kippenheim und Lahr-Mietersheim im Bereich Sulzer Kreuz. Der Ortenaukreis, zeige eine hohe Fachexpertise und überzeuge mit einem ganzheitlichen Konzept, so die Jury. „Das freut mich sehr, der Preis honoriert unseren Einsatz für Klimaschutz und Artenvielfalt“, so Scherer.

Digitale Baugenehmigungen

Seit Jahresbeginn 2022 müssen laut Landesbauordnung alle Gemeinden und Baurechtsbehörden Bauanträge auch ausschließlich digital entgegennehmen können. „Wir waren als Modellkommune E-Government schon sehr früh am Start und haben rechtzeitig die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für digitale Baugenehmigungsverfahren geschaffen“, betont Scherer. „Ich freue mich, dass diese Möglichkeit in der Praxis bei Bauherrn und Planern großen Anklang findet und mein Baurechtsamt über seine pragmatische Vorgehensweise sehr positive Rückmeldungen, vor allem bei großen gewerblichen Projekten, erhält. Dies stärkt den Wirtschaftsstandort Ortenau“.

Im November hat das Landratsamt die baurechtliche Genehmigung für den Bau der neuen Achterbahn im neuen Themenbereich Kroatien des Europa-Park erteilt. Landrat Frank Scherer übergab das umfangreiche Dokument in Form eines USB-Sticks an Europa-Park-Inhaber Roland Mack. „Das Besondere an dieser umfangreichen Baugenehmigung ist, dass sie im in vollständig digitalisiertem Verfahren erfolgt ist. Mein Baurechtsamt hat das hochkomplexe Verfahren komplett papierlos geführt und die Genehmigung digital erteilt. Der mehrere Ordner füllende Bauantrag musste nicht mehrfach in Papierform eingereicht werden, sondern passt nun auf einen kleinen USB-Stick“, so der Landrat.

Die Baurechtsbehörde des Landratsamts erteilt immer mehr digitale Baugenehmigungen. „Mittlerweile führen wir schon 33 Prozent unserer Genehmigungsverfahren ausschließlich papierlos durch und erteilen auch die Baugenehmigung digital“, erklärt Loritz. Das habe für Bauherrn, Architekten und Planer große Vorteile: Sämtliche Antragsunterlagen, die in der Regel ohnehin am Computer erstellt werden, müssen nicht mehr ausgedruckt und mehrfach bei der Gemeinde eingereicht werden. Das bringe eine enorme Zeit-, Ressourcen- und Geldersparnis. Außerdem könne das Baurechtsamt die verschiedenen zu beteiligenden Fachbehörden parallel anhören, wo früher oft abgewartet werden musste, bis die Planordner von einer Fachbehörde zurück waren, bevor sie an eine andere Fachbehörde zur Stellungnahme weitergegeben werden konnten.

Die in der örtlichen Zuständigkeit des Landratsamts liegenden Kommunen haben ebenfalls die technischen Voraussetzungen für die digitale Einreichung von Bauanträgen geschaffen und sind ein wichtiger Partner des Baurechtsamtes bei der weiteren Optimierung der Verfahrensabläufe.


Dezernat 3 - Bildung, Jugend, Soziales und Arbeitsförderung:

Kommunale Arbeitsförderung Ortenaukreis (KOA)

Die Fallzahlen der im Dezernat von Heiko Faller angesiedelten Kommunalen Arbeitsförderung Ortenaukreis (KOA) hatten im Mai 2022 ihren niedrigsten Stand seit Gründung der KOA vor über 17 Jahren. Das änderte sich schon einen Monat später mit einem erheblichen Anstieg der Fallzahlen. „Das war zu erwarten und war nahezu ausschließlich dem Rechtskreiswechsel der ukrainischen Schutzsuchenden vom Asylbewerberleistungsgesetz in das Sozialgesetzbuch II geschuldet“, erläutert Scherer, der diesen Wechsel scharf kritisiert. „Der Rechtskreiswechsel war ein Fehler. Hierdurch wurden erhebliche Mehrkosten verursacht, falsche Anreize gesetzt und Flüchtlinge erster und zweiter Klasse geschaffen. Mit einem „Das-Ist-Jetzt-Halt-So“ können wir uns nicht zufriedengeben. Und schon gar nicht darf es dazu kommen, dass nun aus Gründen der Gleichbehandlung alle Flüchtlinge ins SGB II wechseln“, macht Scherer klar und wiederholt seinen Appell, solch „offensichtliche Fehler – gerade in Krisenzeiten, unverzüglich zu korrigieren.“

Im November 2022 sind die KOA-Fallzahlen erstmals seit Juli wieder leicht gesunken (minus 0,8 Prozent gegenüber dem Vormonat). „Die Zahl der Arbeitslosen ist um rund 3 Prozent sogar noch deutlicher zurückgegangen. Aktuell erhalten rund 18.000 Personen Leistungen der KOA“, informiert Dezernent Faller.

Soziales und Jugend
Der Ortenaukreis sei laut Scherer besonders gefordert, wenn es darum geht, in seinen Städten und Gemeinden die soziale Versorgung und Unterstützung sowie die Teilhabe zu gewährleisten. „Den Sozialstaat finde ich eine hervorragende Sache. Nicht nur für das Individuum, sondern für das gesamte Staatsgefüge. Er trägt zum inneren Frieden bei und sichert menschenwürdige Bedingungen“, sagt der Landrat der Landrat. Der Ortenaukreis muss mit rund 490 Millionen Euro jährlich rund zwei Drittel seines Haushaltsvolumens für Sozialkosten einschließlich der Flüchtlingskosten aufbringen. „Bisher waren die die Zuwächse immer so, dass die wachsende Konjunktur die Mehrausgaben aufgrund von steigenden Leistungsansprüchen und gehobenen Standards kompensiert hat“. Jetzt aber, warnt Scherer, gerate man in ein strukturelles Defizit aufgrund einer sich abschwächenden Konjunktur und sinkender Steuereinnahmen. „Trotzdem verdoppeln sich die jährlichen Zunahmen der Sozialausgaben.“ Diese Schere werde zudem beschleunigt durch höhere Kosten aufgrund der Energiekrise und Inflation. Das mache ihm Sorgen, auch weil der Kreis dabei selbst wenig beeinflussen könne, seien es doch fast ausnahmslos Pflichtaufgaben in den Bereichen Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege und Jugendhilfe. „Hinzu kommen weitere Bereiche, in denen der Landkreis aufgrund gesetzlicher Vorgaben immer mehr Leistungen mit mehr Personalbedarf aber ohne ausreichende Mittel von Bund und Land erbringen muss, wie etwa im Betreuungsrecht, Sozialen Entschädigungsrecht oder beim Wohngeld.“ Die Zeit eines ungebremsten Draufsattelns bei Standards, Rechtsansprüchen und staatlichen Leistungszusagen müsse endgültig vorbei sein. Es bedürfe sofort eines Entfesselungspakets, das Staat, Wirtschaft und Gesellschaft aus dem überregulierten Gesetzesrahmen befreie, wiederholte Scherer die gemeinsame Forderung von Wirtschaft, Landkreisen, Städten und Gemeinden an Ministerpräsident Kretschmann.

Grünes Licht gab es 2022 für zwei weitere Standorte für das „Haus des Jugendrechts“ aufgrund der positiven Erfahrungen in Offenburg. Der Jugendhilfeausschuss beschloss einstimmig, dass der Kreis sich auch an den weiteren Häusern in Kehl und Lahr personell und finanziell beteiligt. Die Häuser des Jugendrechts dienen dazu, in Jugendstrafsachen die Zusammenarbeit und Kommunikation der wichtigsten behördlichen Beteiligten durch räumliche Nähe und regelmäßigen, standardisierten Austausch zu verbessern und zu intensivieren. Neben Polizei, Staatsanwaltschaft und den Gerichten ist die vom Ortenaukreis getragene Jugendhilfe im Strafverfahren, die im Landratsamt beim Kommunalen Sozialen Dienst des Jugendamtes angesiedelt ist, Teil der behördenübergreifenden Kooperation. „Das Haus des Jugendrechts hat mittlerweile Vorbildcharakter und ist ein Erfolgsmodell. Ich freue mich, dass wir dieses wertvolle Angebot auch auf die Standorte Kehl und Lahr erweitern, denn es gibt straffälligen Kindern und Jugendlichen die bestmögliche Chance, wieder auf den rechten Weg zu kommen und sie vor weiterem Fehlverhalten zu bewahren“, so Landrat Frank Scherer. „Bei der Bekämpfung von Jugendkriminalität ist eine schnelle und konsequente Reaktionen auf kriminelles Verhalten besonders wichtig. Durch die kurzen Wege und Absprachen im Haus des Jugendrechts konnte in den letzten beiden Jahren die durchschnittliche Verfahrensdauer merklich verkürzt und gleichzeitig das Fehlverhalten junger Menschen passgenau sanktioniert werden“, erklärt Sozialdezernent Heiko Faller. „Das hat den erzieherischen Effekt enorm verstärkt. Individuelle Lösungen können somit schnell erarbeitet und umgesetzt werden.“

Wichtige Dezernats-Themen waren 2022 zudem der Beschluss zur Weiterführung der Arbeit der Babylotsinnen an den Ortenauer Geburtskliniken und damit die Verbesserung und Sicherstellung der frühen Erreichbarkeit von Eltern mit besonderen Belastungen als Schnittstelle und Überleitung zu den Frühen Hilfe und die weitere Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes. „Bis Ende 2023 müssen im Ortenaukreis dadurch in mehr als 3.000 Fällen die Bedarfe fortgeschrieben und in den Neufällen erstmals ermittelt, Gesamtpläne erstellt und durch den Leistungsbereich entschieden werden“, so Faller. Darüber hinaus bestehen im Ortenaukreis 175 Leistungsangebote der Eingliederungshilfe, die auf der Grundlage des Landesrahmenvertrags SGB IX neu verhandelt und abgeschlossen werden müssen. „Auch das BTHG ist ein Beispiel dafür, wie Bundes- und Landespolitik über gesetzliche Regelungen immer wieder Aufgaben in die Kommunen verschieben und sich dann schließlich finanziell aus der Verantwortung ziehen, obwohl eindeutig die Konnexitätsregelung greifen müsste“, stellt Landrat Scherer fest. Trotz vereinbarter Kostenerstattung hat das Land im Herbst 2022 abgelehnt, die Mittel für das zur Umsetzung der Reform nötige Personal in Gänze zu übernehmen. Der Kreis hat mit Blick auf die angespannte wirtschaftliche Situation und die absehbaren Entwicklungen beschlossen, auch nur das Personal aufzubauen, für das es eine Landeserstattung gibt und damit insgesamt rund 9 Stellen weniger. Das bedeute aber in der Konsequenz in der Umsetzung zwangsläufig auf Standards und Vorgaben zu verzichten. „So bitter das vielleicht für Betroffene und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein kann, meine ich, dass wir das angesichts der schwierigen Lage, in der wir uns befinden, nicht mehr tun dürfen, wenn wir unserem Auftrag und unserer Verantwortung als Kreispolitik noch gerecht werden wollen“, erklärte Scherer in seiner Haushaltsrede. „Wir werden mit dieser Situation sehr verantwortungsvoll umgehen und die neuen Regelungen so gut es geht umsetzen. Trotzdem sind angesichts der Mittel- und Ressourcenkürzungen Verzögerungen und Qualitätseinbußen nicht auszuschließen.“

Unbegleitete minderjährige Ausländer

Seit September 2022 ist das Jugendamt erneut mit stark ansteigenden Zugangszahlen im Bereich der unbegleiteten minderjährigen Ausländer (UMA) konfrontiert. Durch die direkte Grenzlage zu Frankreich werden im Ortenaukreis einerseits UMA an der Grenze zu Frankreich und andererseits Geflüchtete aus Richtung Schweiz aufgegriffen. Im Unterschied zu den meisten anderen Kommunen muss der Ortenaukreis als Landkreis mit direkten Zugangswegen unmittelbar zunächst jeden jungen Menschen, der angibt minderjährig zu sein, unterbringen. „Und zwar unabhängig davon, ob sich die Person im Nachgang dann tatsächlich als minderjährig herausstellt oder nicht“, so Faller. Dies führe seit September 2022 zu einer massiven Überlastung, einerseits durch die hohen Zugangszahlen, andererseits durch die unzähligen notwendigen Altersfeststellungen. Die Inobhutnahmeplätze mussten kurzfristig enorm aufgestockt werden, damit zeitweise zeitgleich über 50 junge ausländische Personen notfallmäßig untergebracht und betreut werden konnten. „Geltende Standards der Jugendhilfe sind seitdem in diesem Bereich nicht mehr einzuhalten, in einigen Fällen müssen ambulante Betreuungsformen ausreichen, um der bloßen Anzahl noch Herr zu werden“, teilt der Sozialdezernent Faller mit. „Die Situation ist nicht mehr tragbar. Das Land muss hier dringend für Entlastung sorgen, z. B. mit weiteren Erleichterungen bei den zu berücksichtigen Standards oder einer zentralen Unterbringungsmöglichkeit für UMA, um hochbelastete Landkreise wie den unseren oder Freiburg, Konstanz und Lörrach zu helfen“, fordern Scherer und Faller und unterstützten damit auch die gleichlautenden Forderungen der Landesverbände, welche diese bereits zum wiederholten Male an das zuständige Sozialministerium adressiert haben.


Dezernat 4 - Ländlicher Raum:

Land- und Waldwirtschaft

Das Jahr 2022 war geprägt durch einen extremen Trockensommer, der trotz der kurzen witterungsbedingten Erholungsphase während des Vorjahrs fast nahtlos an die Trockenjahre 2018 bis 2020 anschloss, was große Herausforderungen für das Dezernat Ländlicher Raum unter Leitung von Dr. Diana Kohlmann mit sich brachte. Die Optionen zur Klimafolgenanpassung in den Wäldern der Ortenau rückten daher in diesem Jahr in den fachlichen Fokus des Amtes für Waldwirtschaft. Das Thema zog sich als roter Faden durch viele Veranstaltungen, Presseinformationen und Beratungsgespräche im Kommunal- und Privatwald des Kreises. Auch diverse Pflanzaktionen bei verschiedenen privaten und kommunalen Waldbesitzenden standen ganz im Zeichen des immer deutlicher sichtbaren Klimawandels. „Der Dreiklang aus einer breiten Bewusstseinsbildung zu den Folgen des Klimawandels für unsere Region, einem fundierten Fachkonzept für die Klimaanpassung unserer Wälder und einem Umsetzen dieser Konzepte in aktives waldbauliches Handeln sind die Eckpunkte, damit wir unsere Waldökosysteme so risikoarm und klimafit wie möglich in die Zukunft bringen“, betont Dezernentin Kohlmann.
Aufgrund der der außerordentlich hohen Waldbrandgefahr mussten in 2022 während der Sommermonate erstmals sämtliche öffentlichen Grill- und Feuerstellen kreisweit geschlossen werden.

 

Nach zweieinhalb Jahren Qualifizierungszeit erhielten in diesem 24 Absolventen der Fachschule für Landwirtschaft in Offenburg erhielten ihre Zeugnisse und Urkunden als „Staatlich geprüfte Fachkraft für Landwirtschaft“. Diesen November startete bereits der neue Kurs mit 30 Teilnehmenden. Im Ernährungszentrum Ortenau gab es eine große Nachfrage nach Angeboten zur Ernährungsbildung durch die Schulen im Ortenaukreis. „Ein besonderer Höhepunkt war die Eröffnung einer einwöchigen Ausstellung zur Vermeidung von Abfall und Lebensmittelverschwendung im Juli in den Räumen des Ernährungszentrums mit über 250 Teilnehmenden“, so Kohlmann.
Neben der Tätigkeit der Fachschule und des Ernährungszentrums standen im Jahr 2022 die rechtlichen Änderungen im Rahmen der Umsetzung der Ziele des „Green-Deal“, der „Farm-to-Fork-Strategie“ und der Änderungen im Rahmen der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik im Fokus des Landwirtschaftsamtes. Insgesamt konnten über das Amt für Landwirtschaft Fördergelder im Rahmen der Agrarförderprogramme in Höhe von 25 Millionen Euro für die landwirtschaftlichen Unternehmen im Kreis zur Auszahlung gebracht werden! Mit den Fördergeldern werden vorrangig Wettbewerbsnachteile aufgrund naturräumlicher Gegebenheiten und Leistungen zur Förderung von Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Verbesserung des Tierwohls ausgeglichen.

Mit der Unterstützung der Bewerber für die Förderprogramme „Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum“ und „Spitze auf dem Land“ konnte das Dezernat 4 zudem wichtige Fördermittel von über 5,5 Millionen Euro in die Ortenau holen. Und auch die Durchführung des Wettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft“ bringt allein schon durch das Mitmachen und die gemeinsame Vorbereitung einen großen Gewinn für die teilnehmenden Gemeinden. Beim diesjährigen Kreisentscheid des 27. Landeswettbewerbs erhielten Bohlsbach und Honau Preise. „Ich danke allen Beteiligten für ihr vielfältiges und nachhaltiges Engagement, das ihre Dörfer auch für die Zukunft attraktiv und lebenswert erhält“, so Scherer.

Flurneuordnung und Vermessung

Im Bereich „Flurneuordnung“ Im Bereich „Flurneuordnung“ erfolgte im Zusammenlegungsverfahren Durbach (Gebirg) im Juli 2022 mit der Wahl des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft ein wichtiger Schritt. Das Zusammenlegungsverfahren Durbach ist ein sogenanntes „Schwarzwaldverfahren“. Ziel dieses Verfahrens ist es, insbesondere landwirtschaftliche Anwesen im Außenbereich durch ganzjährig befahrbare Wege an das übergeordnete Straßennetz anzuschließen. In dem 1.500 Hektar großen Verfahren können in den nächsten Jahren insgesamt rund vier Millionen Euro investiert werden. „Schwarzwaldverfahren leisten einen wichtigen Beitrag zur Stärkung unserer Ortenauer Höfe. Ohne diese Förderung wäre die Offenhaltung unserer Kulturlandschaft nicht möglich“, erklärt Landrat Scherer. Ziel sei es auch, für nachfolgende Generationen einen Anreiz zu schaffen, den elterlichen Hof zu übernehmen. „Nur so bleiben die Arbeitsplätze in der Fläche erhalten und unsere hochwertigen regionalen weiterhin Produkte erzeugt werden“ so Scherer.

Impfzentren

Das Dezernat von Diana Kohlmann war auch 2022 für das Thema Impfen zuständig, Landrat Scherer übertrug der Dezernentin die Gesamtkoordination der Impfzentren im Ortenaukreis. Nachdem im Sommer 2021 zunächst eine Schließung aller kommunalen Angebote erfolgt war, übernahm der Ortenaukreis zum 17.Dezember 2021 mit der Eröffnung von vier Impfzentren in Offenburg, Lahr, Oberkirch und Haslach erneut das Ruder im Impfgeschehen. Die Impfzentren in Haslach, Offenburg und Oberkirch wurden aufgrund sinkendender Impfnachfrage zum 31.März 2022 geschlossen. Zum 30. September 2022 schloss das Impfzentrum in Lahr, das Impfen ging in die üblichen Leistungsstrukturen über, seitdem finden Impfungen hauptsächlich in Arztpraxen und Apotheken statt. „Insgesamt wurden in den Impfzentren 464.444 Impfungen verabreicht. Hinzu kamen bei 1.155 Einsätzen der Mobilen Impfteams weitere 124.541 Impfungen. Im Ortenaukreis wurden damit im Rahmen der Impfkampagne des Landes 588.985 Mal gegen Corona geimpft“, informiert Kohlmann.

Breitband

Um jede Kommune passgenau mit Glasfaser zu versorgen, hat der Ortenaukreis mit seiner Breitband Ortenau GmbH & Co. KG unter dem Namen „GiGa | Ortenau“ einen hybriden Ausbauansatz entwickelt. Das bedeutet, dass der Ausbau vieler Gebiete durch am Markt tätige Unternehmen erfolgt und der kommunale Ausbau dort stattfindet, wo sich niemand findet, der ausbaut. Für fast alle Kommunen in der Ortenau wurde ein eigenwirtschaftlicher Ausbau vereinbart. „Mit dem hybriden Ausbau ermöglichen wir einen ganzheitlichen Glasfaserausbau in den Kommunen“, bestätigt Landrat Scherer das Vorgehen, „so kann der Aufbau von Doppelstrukturen vermieden werden.“ Für den geförderten Breitbandausbau werden bis 2026 rund 350 Millionen Euro investiert. Für einen Großteil der notwendigen Mittel wurden bereits entsprechenden Förderanträge (Bund, Land) gestellt und auch genehmigt. „Bis 2026 sollen somit 70 Prozent der Gebäude in der Ortenau die Möglichkeit eines Glasfaseranschlusses erhalten“, so Scherer.

Fassungslos gemacht habe Scherer den Förderstopp des Bundes Ende Oktober. „Wir mussten davon ausgehen, dass dieser Stopp uns um mindestens ein Dreiviertel Jahr in den Planungen zurückwirft. Das würde dem Standort Deutschland schweren Schaden zufügen, der nur unter Verschwendung von Bundes- und Kommunalmitteln und mit gravierender Zeitverzögerung behoben werden kann“, so Scherer, der an die Bundestags –und Landtagsabgeordnete des Ortenaukreises appellierte, sich für eine für eine „unverzügliche Wiederaufnahme der Graue-Flecken-Förderung einzusetzen“.

„Die Kommunen sind für die Großprojekte auf die Förderung des Bundes angewiesen, die 50 Prozent der Ausbaukosten ausmachen. Hat man einen Förderbescheid vom Bund erhalten fördert das Land den Ausbau mit weiteren 40 Prozent“, teilt Breitband-Ortenau Geschäftsführer Josef Glöckl-Frohnholzer mit, der alle Hebel in Bewegung setzte, um eine weitere Förderung sicherzustellen. „Mittlerweile deutet sich an, dass die Förderung gegen Ende des 1. Quartals 2023 wiederaufgenommen wird, mit veränderten Rahmenbedingungen, auf die wir reagieren werden“, so Glöckl-Frohnholzer.

Dezernat 5 - Sicherheit, Ordnung und Gesundheit:
Pandemie-Management
In der ersten Hälfte des Jahres war das Pandemiemanagement im Gesundheitsamt im Dezernat von Reinhard Kirr das beherrschende Thema. Im Rahmen der Impfpflicht wurden 1837 Fälle bearbeitet, die Kontaktpersonennachverfolgung wurde auf vulnerablen Gruppen begrenzt und die Testzentren wurden weiterhin vom Gesundheitsamt beaufsichtigt. „Im Laufe des Jahres konnten wichtige Dienstaufgaben, wie die Einschulungsuntersuchung und die zahnärztliche Gruppenprophylaxe wiederaufgenommen werden“, erklärt Dezernent Kirr. Hinzu kamen Aufgaben im Infektionsschutz, so muss das Masernschutzgesetz durchgesetzt werden und durch die Flüchtlingswelle wurden neue, bislang kaum in Deutschland beobachtete Infektionskrankheiten, wie z.B. die Hautdiphtherie, gemeldet und wurden durch das Gesundheitsamt ermittelt

Afrikanischen Schweinepest

Mit dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) im Mai im Landkreis Emmendingen musste auch der Ortenaukreis Maßnahmen ergreifen. „Auch nach der Tilgung des Ausbruchs im betroffenen Hausschweinebestand blieb unser Veterinäramt, die Landwirte und die Jägerschaft wochenlang in höchster Alarmbereitschaft, bis endlich klar wurde, dass das Virus glücklicherweise nicht in den Wildschweinebestand verschleppt wurden war“, so Kirr.

Von zentraler Bedeutung gerade bei einem ASP-Ausbruch sei die seuchenhygienisch möglichst sichere Entsorgung verendet aufgefundener Tierkörper, aber auch von erlegtem Wild, bei dem auf den ersten Blick keine Auffälligkeiten festgestellt werden. Bereits in den Vorjahren hatte der Ortenaukreis daher drei von geplant sieben Verwahrstellen für die hygienische Entsorgung von verendet aufgefundenem Wild und Wildabfällen eingerichtet. Im Laufe dieses Jahres konnten auch die verbliebenen vier Einrichtungen in Betrieb genommen werden, so dass der Ortenaukreis nun über sieben zukunftssicher gebaute Verwahrstellen verfügt. Damit wurde ein besonders wirksamer Beitrag zur Tierseuchenbekämpfung, der Sicherung landwirtschaftlicher Betriebe und auch des Wildtierschutzes geleistet.

Zensus

Im Dezernat von Reinhard Kirr war 2022 auch die Zensuserhebungsstelle untergerbacht.

Von Mitte Mai bis Anfang August 2022 lief die Feldphase der Haushaltebefragung des Zensus 2022. Ziel dieser EU-weiten Erhebung ist es, die Einwohnerzahl für jede Kommune festzustellen und sozio-demographische Daten zur Bevölkerung zu erhalten. „Erstere bildet die Basis für die Finanzausstattung der Kommunen, letztere dienen den Kommunen als Grundlage für ihre Planungen“, so Kirr. Rund 380 Erhebungsbeauftragte suchten dafür rund 12.500 zufällig ausgewählte Anschriften auf und befragten dort die Bewohner. Bis Anfang November wurden die Erhebungsbefunde in der Erhebungsstelle des Ortenaukreises gesichtet und weiterverarbeitet. „Nun werden die Daten auf ihre Plausibilität geprüft und für jede deutsche Kommune die Einwohnerzahl zum Stichtag 15. Mai 2022 hochgerechnet und voraussichtlich im November 2023 feststehen“, so der Dezernent. Die Statistikdaten stehen dann öffentlich zugänglich auf den Internetseiten des Bundesamtes für Statistik (www.destatis.de).

Dezernat 6 - Kommunales, Gewerbeaufsicht und Umwelt

Im Dezernat „Kommunales, Gewerbeaufsicht & Umwelt“ des Ersten Landesbeamten Nikolas Stoermer hat das Kommunal- und Rechnungsprüfungsamt Jahr unter anderem acht Bürgermeisterwahlen geprüft. „Ein Novum war dabei die Bürgermeisterwahl in Schwanau, bei der der gewählte Bewerber die Wahl nicht annahm und die Stelle erneut ausgeschrieben wurden musste“, so Stoermer.

Auffallend war im vergangenen Jahr zudem, dass die Gemeinden vor immer größeren finanziellen Herausforderungen stehen, die durch die Krisen (Energiekrise, Inflation, Flüchtlingsunterbringungen, Baukostensteigerungen) noch verschärft werden. „In Einzelfällen mussten wir Kreditaufnahmen teilweise versagen und Konsolidierungskonzepte verlangen“, so der Erste Landesbeamte.

Windkraft
Im Dezernat „Kommunales, Gewerbeaufsicht & Umwelt“ des Ersten Landesbeamten Nikolas Stoermer wurden seit 2012 durch das vom Amt für Gewerbeaufsicht, Immissionsschutz und Abfallrecht 34 Windkraftanlagen. Die insgesamt 45 Anlagen im Kreis decken rund 50 Prozent des Strombedarfs der Ortenauer Haushalte. „Damit sind wir Spitze im badischen Landesteil“, so Scherer. Durch die „Brutto-Nettokarte“, die der Kreis erstellte, konnte der Windkraftausbau in der Ortenau beschleunigt werden, indem von den windhöffigen Flächen diejenigen mit rechtlichen Hindernissen abgezogen wurden. „So konnten bei uns viele schnell realisierbare Projekte umgesetzt werden, was Ministerpräsident Kretschmann erst kürzlich wieder in einer Besprechung dazu veranlasste, den Ortenaukreis als Musterschüler in Sachen Windkraft zu loben“, so Scherer. Aktuell seien drei Anlagen am Schnürbuck in Ettenheim anhängig und 13 weitere Anlagen in sieben Verfahren geplant, teilt der Erste Landesbeamte mit. Weitere Projekte befänden sich in der Vorplanungsphase.
Mit Sorge werde die neue Planungsgrundlage „Windenergie und Auerhuhn“ des Landes gesehen. „In ihrer aktuellen Fassung verzögert sie den Ausbau der Windenergie an einigen Standorten mit höchster Wahrscheinlichkeit verhindern, wie etwa am windhöffigsten Standort des Landes, auf der Hornisgrinde“, so Stoermer, Landrat Scherer habe deshalb auch in einem Gespräch mit Ministerpräsident Kretschmann dafür geworben, die Planungsgrundlage zu überarbeiten. „Ich hoffe sehr, dass im Rahmen der Überarbeitung der Auerhuhnkarte diese Fläche noch aus der höchsten Schutzkategorie rausgenommen wird und falls nicht, dass wir über eine von mir vorgeschlagene Ausnahmeregelung darlegen können, dass durch ein zweites Windrad keine Gefahr für das Auerhuhn besteht“, so Scherer.

Energieeffizienz und Klimaschutz
Der Ortenaukreis setzt sich in vielen Bereichen für den Klimaschutz ein. Seine Aktivitäten reichen von der energetischen Gebäudesanierung, dem Ökostrom, der Digitalisierung und der E-Mobilität über blühende Straßenränder, den Amphibienschutz, LEV- und Leader-Zuschüsse, die Genehmigung von Wind- und Wasserkraftanlagen, die Beratung für ökologische Landwirtschaft bis hin zur Subventionierung des ÖPNV und den Bau von Radwegen. „Klimaschutz ist für uns schon lange keine Kür mehr, sondern Pflicht und umfasst grundsätzlich alle Bereiche des Landratsamts“, erläuterte Scherer. „Betrachtet man unsere Aktivitäten in diesen Bereichen, so addieren sich im neuen Doppelhaushalt rund 76 Millionen Euro für Maßnahmen, die dem Klimaschutz dienen“; machte Scherer deutlich. Darüber hinaus ist wurde durch den Kreistag erstmals ein Klimaschutzfond für die Kreisliegenschaften mit 2 Millionen Euro verabschiedete. Damit könne der Kreis beispielsweise weitere Photovoltaikanlagen auf kreiseigene Gebäude bauen.

Seit Anfang des Jahres ist Christopher Schüle neuer Referent für Klimaschutz und Klimaanpassung beim Landratsamt Ortenaukreis und mit der Weiterentwicklung des Klimaschutzkonzepts des Kreises befasst. Schüle koordiniert sämtliche Aktivitäten des Landratsamtes, die von Bedeutung für den Klimaschutz und die Klimafolgenanpassung sind. Auch führt er den Auditprozess des European Energy Awards (eea) weiter. Mit dieser Zertifizierung ist der Ortenaukreis erstmals 2016 für seine Klimaschutzaktivitäten ausgezeichnet und im Oktober 2021 erfolgreich erneut zertifiziert worden.

Auswirkungen Klimawandel
Die klimatischen Veränderungen sind anhand lang anhaltender Niedrigwasserphasen oder Überflutungskatastrophen durch Starkregenereignisse, wie im Ahrtal 2021, immer deutlicher zu spüren. Den damit einhergehenden Herausforderungen werde auch im Ortenaukreis Rechnung getragen. „Wir haben im November 2022 Planfeststellungsbeschluss für das Hochwasserrückhaltebecken in Ohlsbach erteilt. Hierdurch konnte ein wichtiger Beitrag zum künftigen Schutz vor einem 100-jährlichen Hochwasser geleistet werden“, erklärt der Erste Landesbeamte. Auch das Thema Starkregen rückte 2022 verstärkt in den Fokus. „Weitere Gemeinden haben den Auftrag zur Erstellung eines Starkregenrisikomanagementkonzeptes an ein qualifiziertes Ingenieurbüro vergeben. Das Verfahren hierzu ist landesweit standardisiert. Wir stehen dabei beratend zur Seite“, erklärt Stoermer. Die zu 70-Prozent durch das Land geförderten Konzepte zeigen Gefährdungspotentiale innerhalb des Gemeindegebiets auf und liefern Lösungsansätze zu einem verbesserten Hochwasserschutz.

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit:

Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau

Nach vielen coronabedingt verschobenen Projekten und Veranstaltungen in den beiden Jahren zuvor, war beim Eurodistrikt Strasbourg-Ortenau 2022 ein deutlicher Aufwärtstrend bei den eingehenden Förderanträgen zu verzeichnen. So hat sich der erst 2021 als „Restart“ eingeführte Kleinkulturfonds mit einer jährlichen Gesamthöhe von 40.000 Euro zur Förderung der lokalen Kulturszene auf beiden Seiten des Rheins inzwischen etabliert und wird sehr gut angenommen. Auch der „KM Solidarité“ konnte nach 2-jähriger Pause mit einem alternativen dezentralen Konzept in den teilnehmenden Schulen stattfinden und ersetzte damit die große Veranstaltung im Garten der zwei Ufer.

Ein wichtiger Schritt beim Schwerpunkthema „Mobilität“ war die im Mai vom Kreistag verabschiedete Mandatierungsvereinbarung, mit der der Ortenaukreis dem Eurodistrikt künftig Aufgaben im Bereich des grenzüberschreitenden straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehrs übertragen werden können. „Mit der Mandatierung des Eurodistrikts wird nun eine zielgerichtete Umsetzung von Verkehrsprojekten, wie etwa die öffentliche Buslinie Erstein-Lahr, hoffentlich deutlich einfacher und auch deutlich schneller zu realisieren sein als bisher“, freute sich Eurodistrikt-Präsident Frank Scherer.

Das im Schuljahr 2021/2022 auf Initiative von Landrat Scherer mit Unterstützung des Eurodistrikts gestartete Sprachprojekt „Spiel und Parle“ entwickelte sich zu einem großen Erfolg. So konnte die Teilnahmezahl im laufenden Schuljahr auf deutscher Seite nahezu verdoppelt werden und liegt jetzt bei insgesamt 160 Grundschulkindern.

Zum zweiten Mal bereits präsentierte sich der Eurodistrikt auf der Anfang September stattfindenden Europamesse in Straßburg mit einem eigenen Messestand und setzte so sein lokales Standortmarketing fort. Täglich wechselnden Unterausstellern wurde auf dem Stand eine Plattform für ihre lokalen Produkte geboten.

Erstmals fand im Oktober auf Einladung des Eurodistrikts in Zusammenarbeit mit der Energieagentur Ortenau und der „Agence de Climat“ ein Austausch mit regionalen kommunalen Klimaschutzbeauftragten statt. Hier wurden die ersten Weichen für die Erarbeitung eines gemeinsamen Klimaaktionsplan gestellt, der für die kommenden Jahre die Grundlage für weitere Klimaaktivitäten des Eurodistrikts dienen soll.

Kreispartnerschaft Vidin

Nach langer Coronapause war erstmalig nach 2019 wieder ein persönlicher Austausch im Juni im Rahmen der Kreispartnerschaft mit Vidin/Bulgarien möglich. Teilnehmer der 17-köpfigen Delegation auf Einladung von Landrat Scherer waren hochrangige Vertreter der Regionalverwaltung, darunter Gouverneur Lyben Ivanov; Bürgermeister, Kommunalpolitiker und Unternehmer. Aus der Ortenau waren Mitglieder und ständige Gäste der Kreistags-Begleitkommission „Kreispartnerschaft Vidin“ mit dabei. Im Mittelpunkt des Austausches standen die gemeinsamen Themenfelder berufliche Bildung, Tourismus, Wirtschaft und zukünftige Wege der Zusammenarbeit. Den Auftakt des vom Ortenaukreis organisierten zweitägigen Programms bildete die Besichtigung des neuen Nationalparkzentrums am Ruhestein. Am Nachmittag wurde das Hotel Dollenberg in Bad-Peterstal/Griesbach besucht. Hoteldirektor Meinrad Schmiederer gab einen Einblick in das 5-Sterne-Superior-Hotel und stellte ausführlich sein Ausbildungsprogramm sowie die einzelnen Ausbildungsberufe vor. Welche Früchte das 2013 von Landrat Frank Scherer initiierte „Qualifizierungsprogramm Ortenau-Vidin“, das u.a. dem Fachkräftemangel im Ortenaukreis entgegenwirken soll, inzwischen trägt, verdeutlichte, dass die Delegation auf ehemalige bulgarische Schüler der Region Vidin traf, die über das Programm inzwischen eine Anstellung im Dollenberg gefunden haben. Am zweiten Tag bekam die Delegation einen Einblick in die Beruflichen Schulen des Ortenaukreises. Evlogiya Mandzhukova, Direktorin einer Tourismusschule in Vidin, nutzte die Gelegenheit um mit Schulleiter Orlowski erste Kooperationsgespräche zu führen. Dabei wurden bereits konkrete Ideen für die Umsetzung eines „ERASMUS“-Projekts, einem europäischen Programm zur beruflichen Aus- und Weiterbildung, erörtert.

Am Nachmittag ging es zur Firma Weber Haus in Rheinau-Linx, Geschäftsführer Stephan Jager stellte das Unternehmen und seine Produktpalette vor. Dabei bekam die Delegation auch Einblicke in die Produktion der energetisch hergestellten Fertighäuser.

„Im zwölften Jahr des Bestehens unserer Partnerschaft bin ich mir sicher, dass der diesjährige Besuch ein Startschuss für das Neubeleben unserer freundschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen unserer beiden Regionen sein wird“, dankte Landrat Scherer Gouverneur Ivanov zum Abschluss der Delegationsreise.

Tourismus

Die Tourismusbranche befindet sich nach den gebeutelten Corona-Jahren wieder im Aufwind. Von Januar bis Oktober wurden rund 1.660.000 Ankünfte und 3.647.000 Übernachtungen verzeichnet. Somit konnten die Zahlen aus dem Rekordjahr 2019 sogar übertroffen werden. Nach der erfolgreichen Sommersaison blicken wir zuversichtlich auf die kommende Wintersaison.

Diese positiven Tourismuszahlen sind nur durch den Einsatz der touristischen Akteure und Leistungsträger vor Ort zu verdanken. Die Tourismusabteilung des Landratsamts hat deshalb gemeinsam mit den regionalen Partnern bestehende Formate wie die Veranstaltungsreihe „DORT – Donnerstags in der Ortenau“ und „Stadtradeln“ fortgeführt. Mit über 1.600.000 Kilometern – das entspricht einer Strecke von 40 Mal um den Äquator – erreichten die Ortenauer Pedaleure einen sensationellen 15. Platz. Zudem wurden die Projekte im grenzüberschreitenden Tourismus ausgebaut. In diesem Jahr wurde eine Weihnachtskampagne gemeinsam mit der Weihnachtshauptstadt Straßburg und der Ville et Eurométropole de Strasbourg realisiert. Unter dem Motto „Die Tore der Zeit“ verschwammen auf den Burgen der Rheinebene im Rahmen der gemeinsamen grenzüberschreitenden Veranstaltungsreihe des Ortenaukreises und der benachbarten französischen Collectivité européenne d’Alsace auch in diesem Jahr wieder die Grenzen zwischen Realität und Fantasie. Von Mai bis Juli nahm John Howe, der berühmte Heroic-Fantasy-Illustrator der „Herr der Ringe – Saga“, Abenteuerlustige mit auf eine unglaubliche Reise durch die Burgen und Schlösser am Rhein. Außerdem wurde im Sommer 2022 das touristische Großprojekt „Ortenauer Sagenrundwege“ fertiggestellt. Mit der Realisierung des Projekts führen die geistreichen Themenwege auf rund 400 Kilometern durch die schaurig schöne Sagenlandschaft der Ortenau, vorbei an insgesamt 36 Städten und Gemeinden – und machen die Region auf eine ungewöhnliche und spannende Art erlebbar. „Die Ortenauer Sagenrundwege ergänzen unser Tourismusangebot um ein weiteres Highlight und haben ein Alleinstellungsmerkmal im gesamten Schwarzwald“, freut sich Landrat Frank Scherer. Attraktive Angebote wie diese seien wichtig, denn der Tourismus sei ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und Jobmotor für den Ortenaukreis.

Größte Photovoltaik-Überdachung im deutschsprachigen Raum

Gegen Ende des Jahres konnte Landrat Frank Scherer noch einmal ein Highlight, das bundesweit Beachtung fand, verkünden: In der Ortenau wird die größte Photovoltaik-Überdachung im deutschsprachigen Raum errichtet. Der Automobillogistiker Mosolf baut an seinem Standort in Kippenheim eine 20 Hektar große Parkplatzüberdachung mit Photovoltaikanlage. Mit der 23-Megawatt-Anlage wird auch der Europa-Park Rust mit Energie versorgt, ab 2024 wäre der Park damit in der Sommersaison komplett autark.

Den Stein ins Rollen gebracht hat Landrat Frank Scherer, immer wieder sei er auf der Bundesstraße B3 an dem Mosolf-Gelände, auf dem über 30.000 Autos stehen, vorbeigefahren und habe sich gedacht, man können dort doch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und nicht nur umweltfreundlichen Strom erzeugen, sondern auch die Fahrzeuge vor Hagelschäden schützen. Scherer brachte dann - noch vor dem Ukraine-Krieg und der daraus folgenden Energiekrise – die beiden Ortenauer Familienunternehmen Mack und Mosolf zusammen und konnte sie für seine Idee begeistern. Das gesamte Investitionsvolumen des Projektes liegt bei rund 30 Millionen Euro. Etwa die Hälfte der Fläche der neuen Anlage, also rund zehn Hektar sind für die Versorgung des Europa-Park vorgesehen. 2024 soll die Anlage in Betrieb gehen. Der Europa-Park nimmt einen erheblichen Teil der erzeugten Energie ab und kann sich langfristig weitgehend unabhängig von anderen Energiequellen vor allem in den Hochsaison-Sommermonaten autark mit erneuerbarem Strom versorgen.

„Mit diesem Leuchtturmprojekt übernehmen zwei leistungsstarke Familienunternehmen in vorbildlicher Weise Verantwortung in Sachen Klimaschutz und Energieeffizienz. Ich freue mich sehr darüber, dass das auf diesem Gelände im Ortenaukreis möglich wurde“, so der Landrat. „Mein Dank gilt dem Landrat des Ortenaukreises, der sich einmal mehr als kluger Visionär auch für die Wirtschaft erwiesen hat. Es macht keinen Sinn, nur über hohe Energiekosten zu jammern, sondern wir müssen die Lösung der Probleme selbst in die Hand nehmen. Dass sich ein Landrat in dieser Weise für seine Bürger und die Wirtschaft einbringt, ist wahrlich nicht selbstverständlich“, stellt Europa-Park-Inhaber Roland Mack fest.